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Mispo Gwijangge im Gefängnis in Jakarta (Foto: Anwältin des Angeklagten)

Unfaires Verfahren im Fall Nduga

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit Mitglieder der Nationalen Befreiungsarmee Westpapuas (TPN-PB) eine Gruppe von Straßenarbeitern in der Hochlandregion Nduga töteten. Am 6. Januar 2020 wurde vor dem zentralen Bezirksgericht von Jakarta ein Prozess gegen Mispo Gwijangge eingeleitet. Der Angeklagte stammt aus dem Dorf Suwenem im Bezirk Yigi, Landkreis Nduga, wo er seinen Eltern bei der Arbeit in der Landwirtschaft half. Polizeibeamte verhafteten Mispo Gwijangge und zwei weitere Verdächtige am 10. Mai 2019 auf dem Sinakma-Markt im Landkreis Jayawijaya, nachdem er aus seinem Dorf in die Hochlandstadt Wamena geflohen war. Er wurde festgenommen und gemäß Artikel 340 des indonesischen Strafgesetzbuches (KUHP) in Verbindung mit Artikel 55 (1) KUHP über die Beteiligung an vorsätzlichem Mord angeklagt, der mit einer Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis oder der Todesstrafe bestraft wird. Die Staatsanwaltschaft erhob auch eine Reihe weiterer Anklagepunkte, darunter Artikel 338 KUHP über Tötung, 351 über Misshandlung und 333 über Freiheitsentzug. Die beiden anderen Verdächtigen wurden ohne Anklage freigelassen. Mispo Gwijangge bestreitet jegliche Beteiligung an der Tötung der Mitarbeiter von PT Istaka am 4. Dezember 2018.

Die Anwälte und Familienmitglieder von Mispo Gwijangge haben Bedenken hinsichtlich der Verfahrensverletzungen während des Strafverfolgungsprozesses geäußert. Nach Angaben von Mispo Gwijangges Angehörigen ist er erst zwischen 14 und 16 Jahren alt – zu jung, um als Erwachsener strafrechtlich verfolgt zu werden. Offizielle Dokumente besagen jedoch, dass Mispo 1999 geboren wurde. Unstimmigkeiten zwischen dem tatsächlichen Alter und den Geburtsdaten in offiziellen Dokumenten sind in den abgelegenen Gebieten Westpapuas weit verbreitet, da die meisten Geburten ohne die Anwesenheit von Hebammen oder Ärzten stattfinden. Daher schätzen Regierungsbeamte oft das Geburtsdatum Jahre später grob ab, wenn die indigenen Papuas Zugang zu Bildung oder Gesundheitsdiensten brauchen, für die sie offizielle Dokumente benötigen.

Weder die Bezirkspolizei von Jayawijaya noch der Staatsanwalt informierten die Angehörigen von Gwijangge, als er nach Jakarta gebracht wurde, wo er derzeit im Gefängnis Salemba festgehalten wird. Der Ort des Prozesses wurde nach Jakarta verlegt, weil die Behörden befürchteten, dass die instabile Sicherheitslage in Westpapua einen reibungslosen Ablauf des Prozesses in Wamena nicht ermöglichen würde. Die Anwältin von Gwijangge, Mersi Waromi, erklärte in einem Interview mit der Medienplattform Jubi, dass die Verlegung den Ausgang des Prozesses beeinflussen könnte. „Den Richtern in Jakarta fehlt es an objektivem Verständnis für diesen Fall, weil sie den soziokulturellen Kontext in Papua nicht kennen“, sagte Waromi. Die Verlegung führt zudem zu erschwerten Bedingungen für Mispo Gwijangges Verteidiger und Zeugen, die ihn entlasten könnten; denn die Reise von Papua nach Jakarta kostet viel Zeit und Geld.

Menschenrechtsverteidiger berichten, dass Polizeibeamte Mispo Gwijangge während des Verhörs bei der Bezirkspolizei von Wamena wiederholt mit einem Gewehrkolben auf den Hinterkopf geschlagen hätten. Darüber hinaus spricht Mispo Gwijangge nicht fließend indonesisch. Die Beamten verhörten ihn ohne Dolmetscher oder Rechtsbeistand, was gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn die Anklage mit mehr als fünf Jahren Gefängnis bestraft wird. Mispo Gwijangge fühlte sich von den Polizeibeamten eingeschüchtert und bedroht, unterzeichnete ein Geständnis und folgte allen Anweisungen der Beamten, als der Fall auf der Polizeistation in Wamena rekonstruiert wurde.

Ähnliche Mängel wurden auch bei den ersten Prozessanhörungen in Jakarta gemeldet. Der Richter hatte die Staatsanwaltschaft gebeten, einen Dolmetscher zu finden, der in die indigene Sprache der Nduga übersetzen kann. Der Staatsanwalt konnte der Bitte jedoch nicht nachkommen, so dass die Anwälte von Gwijangge drei papuanische Studenten bitten mussten, vor Gericht zu übersetzen. Während der Gerichtsverhandlung am 13. Januar 2020 soll der Richter die Redezeit des Anwalts bei der Erläuterung der Anklage eingeschränkt haben, da durch die Übersetzung der Zeitplan überschritten wurde. Erste Verzögerungen des Prozesses traten bereits während der ersten Anhörung auf. Der Staatsanwalt stellte den Verteidigungsanwälten keine Kopie der Anklageschrift und des Polizeiberichts zur Verfügung.