Die Wahlen in Indonesien 2024
Im Februar 2024 finden landesweite Wahlen in Indonesien statt. Gewählt werden die nationalen und regionalen Parlamente, der nationale Senat (Vertretung der Provinzen), die Gouverneure, die Bürgermeister, die Landräte sowie der Präsident und der Vize-Präsident.
Nach zwei Legislaturperioden darf Amtsinhaber Joko Widodo (Jokowi) nicht erneut antreten. Die drei Kandidaten für das Präsidentenamt sind: Ganjar Pranowo, Gouverneur der Provinz Zentral-Java, Verteidigungsminister Prabowo Subianto und der ehemalige Gouverneur von Jakarta, Anies Baswedan. Seit Oktober steht zudem auch fest, dass Jokowis Sohn, Gibran Raka, neben Prabowo Subianto als Vize-Präsident kandidiert.
Die Vorbereitungen für diese Wahl laufen bereits seit Monaten und sind auch in Westpapua zu spüren. Gleichzeitig haben aber nicht alle Papuas im Februar 2024 auch tatsächlich eine Wahl. Mangelnde Ausstattung der Dörfer mit den notwendigen Wahlurnen oder fehlende Wahlregistrierungen erschweren in Westpapua die Durchführung einer freien und fairen Wahl.
Bereits seit mehreren Monaten beobachten die Papuas zudem, dass zum Teil ganze Familien aus anderen Teilen Indonesiens nach Westpapua übersiedeln und dort mit den notwendigen Unterlagen ausgestattet werden, um sich als in Westpapua wahlberechtigt registrieren lassen zu können. Die Bildung vier neuer Provinzen in Westpapua bedeutet auch die Wahl neuer Provinzparlamente, die, so die Befürchtung der Papuas, sich primär aus Indonesier*innen aus anderen Teilen Indonesiens zusammensetzen werden. Die Furcht davor, dass eine Teilhabe indigener Papuas zukünftig weiter erschwert werde, bezieht sich nicht nur auf politische Ämter sondern auch auf die mit der Provinzaufteilung verbundene Schaffung neuer Jobs im Verwaltungssektor. Schätzungen zufolge 20.000 neue Verwaltungsposten werden wahrscheinlich zu großen Teilen von Transmigranten bzw. einer kleinen Papua-Elite besetzt werden. All diese Entwicklungen verschärfen die Furcht vor einer horizontalen Gewaltentwicklung in Westpapua, wenn Ungleichbehandlungen nicht nur von Sicherheitskräften ausgeübt werden, sondern auch mehr und mehr in dem gesellschaftlichen Miteinander einen Platz finden.
Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen ist es daher von großem Interesse, wie die einzelnen Kandidaten zu der Zukunft Westpapuas stehen und ob und wie sie die Probleme in Westpapua lösen wollen.
TV-Debatte zeigt unterschiedliche Standpunkte der Kandidaten zu Westpapua
Anies Baswedan erklärte, dass die Hauptursache für die Gewalt in Papua das Fehlen von (sozialer) Gerechtigkeit sei. Es sei wichtig zu verhindern, dass sich dieselben Fälle wiederholen. Alle Menschenrechtsverletzungen in Westpapua müssen beendet werden. Bei einem Wahlkampfauftritt im Januar 2024 in Sorong erklärte Anies, dass er die Förderung von gleichen Bildungschancen in Westpapua voranbringen wolle. Dies solle durch Stipendienprogramme geschehen. Anies sagte, er setze sich dafür ein, den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu erleichtern, damit Kinder ihre Ausbildung beenden können, ohne sich um die Gebühren sorgen zu müssen.
In der TV-Debatte im Dezember 2023 ging Prabowo auf Anies Aussagen ein: „Soziale Gerechtigkeit nach Papua zu bringen, ist zweifellos notwendig, aber es ist keine einfache Angelegenheit, Herr Anies. Wir müssen andere komplexe Faktoren wie Geopolitik und Ideologie berücksichtigen.“ Sollte er Präsident werden, versprach Prabowo, die Politik der Regierung von Präsident Joko „Jokowi“ Widodo fortzusetzen und sich dabei auf die Entwicklung der Infrastruktur zu konzentrieren, um wirtschaftlichen Wohlstand und politische Stabilität in Papua zu gewährleisten. „Präsident Jokowi hat Westpapua große Aufmerksamkeit gewidmet und die Region häufiger besucht als jeder seiner Vorgänger. Unter seiner Führung hat sich Westpapuas Wirtschaft deutlich verbessert“, sagte Prabowo.
Der Fokus in Westpapua soll bei Prabowo zudem auf der Einhaltung des Gesetzes liegen und auf dem Ausbau der Sicherheitskräfte in der Region. Der sogenannte Separatismus sei die Grundlage für die Probleme in Westpapua. Dieser werde seiner Ansicht nach auch von ausländischen Akteuren unterstützt.
Ganjar Pranowo, der dritte Kandidat, sagte, dass ein Dialog notwendig sei, um die Gewalt in Westpapua zu beenden.
Kritik an demokratischer Entwicklung in Indonesien
Während der weiteren TV-Debatte, kritisierte Anies Baswedan zudem die demokratische Entwicklung in Indonesien. Prabowo wies in der TV-Debatte im Dezember auch dies zurück: „Wenn die Demokratie in Indonesien versagt hätte, wären Sie nicht Gouverneur von Jakarta geworden.“
Ein Mitglied des Wahlkampfteams um Ganjar Pranowo äußerte im Januar 2024 ebenfalls Kritik an der Demokratie in Indonesien. Todung Mulya Lubis, ein Anwalt und ehemaliger indonesischer Botschafter in Norwegen, sagte am 17. Januar gegenüber Reportern, die Präsidentschaftswahlen 2024 seien die am wenigsten demokratischen Wahlen seit Beginn der Reformära, also der Zeit nach dem Sturz des autoritären Führers Soeharto. Es gäbe viele Verstöße durch Regierungsbeamte, einschließlich Präsident Joko „Jokowi“ Widodo, die sich auf die gezielte Einflussnahme zur Unterstützung einzelner Kandidaten richteten.
Wirtschaft in Westpapua
Der Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung hat die Politik Jokowis in Westpapua geprägt. Die von Prabowo in der TV-Debatte erwähnte wirtschaftliche Verbesserung in Westpapua muss jedoch auch fragen, wer der tatsächliche Empfänger dieser Steigerung ist und wem der wirtschaftlich angestrebte Wohlstand in Westpapua zu Gute kommt?
Der Human Development Index (HDI) aus dem Jahr 2022 zeigt ganz deutlich, dass die damals noch nur zwei vorhandenen Provinzen Papua und Papua Barat 2022 die Provinzen mit dem niedrigsten HDI-Wert in Indonesien waren. Damit ist Westpapua in den Markern der Lebenserwartung, der voraussichtlichen Dauer des Schulbesuchs und der tatsächlichen Dauer des Schulbesuchs und dem Bruttonationaleinkommen pro Kopf das Schlusslicht in Indonesien. Die damals noch nicht weiter aufgeteilte Provinz Papua liegt mit einem Wert von 61,39 im Jahr 2022 deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von 72,91 und nochmal deutlich unter dem HDI-Wert von Jakarta mit 81,65.
Auch wenn in der Gesamtbetrachtung der HDI-Wert in Westpapua höher ist als noch im Jahr 2010 und nun nicht mehr als „niedrig“ sondern als „medium“ eingestuft wird – auch in anderen Provinzen Indonesiens ist der Wert gestiegen – wird jedoch im Vergleich zu anderen Provinzen deutlich, dass das Missverhältnis in der Gesamtschau des HDI weiter ähnlich hoch ist. Es wird demnach deutlich, dass der von der indonesischen Regierung behauptete Wohlstand in Westpapua nicht für alle erreicht worden ist und in Westpapua erwirtschaftete Gelder nicht auch in Westpapua landen. Die Papuas leben weiterhin in der strukturschwächsten Region Indonesiens.
Eine Studie von Dezember 2022 untermauert dies und stellt fest, dass die zum Zeitpunkt der Studie bestehenden fünf Provinzen Westpapuas (Provinz Papua Barat, Provinz Papua, Provinz Süd-Papua, Provinz Zentral-Papua, Provinz Hochland-Papua) weiterhin die ärmsten Provinzen Indonesiens sind. Während die durchschnittliche Quote der Menschen, die in Indonesien in Armut leben, bei 9,54 % liegt, wird dieser Wert in den Provinzen Westpapuas deutlich überschritten: Provinz Süd-Papua (20,24 %), Provinz Papua Barat (21,84 %), Provinz Papua (26,86 %), Provinz Zentral-Papua (32,25 %) und Provinz Hochland-Papua (35,46 %). Besonders die Provinz Zentral-Papua und die Provinz Hochland-Papua haben laut der Studie mit größeren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, seitdem sie eigenständige Provinzen wurden.
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Weitere Infos zu der Wahl, den Kandidaten und der Bedeutung für Westpapua finden Sie in unserer Journalausgabe 2/2023 „Wohin führt der Weg? – Westpapua und die Wahlen in Indonesien 2024“
Zu bestellen per Mail an: wpn(at)westpapuanetz.de