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Stimmen aus Papua

Stimmen aus Papua – Voices from Papua, 2/2024

Indigene sind die besten Waldhüter

Ein Interview von Rettet den Regenwald mit Dorthea Wabiser, Umweltaktivistin aus Westpapua

Dorthea Wabiser: Ja, denn mit dem Dekret erkennt die Regierung juristisch an, dass die Gemeinschaft seit vielen Generationen dort lebt, dass sie den Wald sehr gut und nachhaltig geschützt und genutzt hat. Die Indigenen müssen für die Anerkennung viel auf sich nehmen, so wie die Afsya im Film. Sie müssen hart dafür arbeiten und eine Menge Anforderungen erfüllen. Sie müssen nachweisen, dass sie schon lange in diesem Gebiet leben, sie müssen ihr Territorium kartieren – was sehr lange dauert -, sie müssen ihre Geschichte und ihre Stammbäume dokumentieren.

Jedes Wirtschaftsunternehmen muss laut Gesetz das anerkannte Gebiet respektieren. Wenn ein Unternehmen trotzdem weiter hier agiert, verstößt es gegen dieses Dekret und müsste wegen Landraub strafrechtlich verfolgt werden. Abgesehen von dem offiziellen Dekret muss bei jedem Projekt, das Indigene betrifft, das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung eingehalten werden (FPIC). Bei jedem Vorhaben, sei es für eine Plantage, sei es für Holzeinschlag oder Bergbau, muss das FPIC-Verfahren eindeutig und klar sein. Das heißt, die Indigenen werden im Vorfeld informiert und können frei entscheiden, ob sie zustimmen oder ablehnen. Bei einem fehlenden oder mangelhaften FPIC-Verfahren macht das Unternehmen sich strafbar.

Die besten Waldhüter sind bewiesenermaßen die Indigenen selbst. Das Problem: In Indonesien sind Indigene nicht geschützt und haben keine eigenen Territorien. Sie dürfen ihre Gebiete, in denen sie schon seit Generationen leben, nicht nutzen und nicht über sie bestimmen. Im Gegenteil, im Namen der Wirtschaftsentwicklung werden die Wälder in großem Umfang an Konzerne vergeben und zerstört, denn der Staat betrachtet allen Wald als staatlich. Dabei sind es die Indigenen, die die Nutzung und den Schutz der Wälder bis heute sehr gut geregelt, also nachhaltig gemanagt, haben.

Ein „Indigenengesetz“ gibt es nicht. Internationale Abkommen greifen hier nicht. Leider hat die Regierung die ILO-Konvention 169 zum Schutz der Rechte Indigener Völker nicht ratifiziert. Die ILO-169 ist das einzige völkerrechtlich verbindliche internationale Abkommen. Das andere wichtige internationale Instrument, die UN-Deklaration der Rechte Indigener Völker (UNDRIP), hat Indonesien zwar unterzeichnet, doch kann es nicht optimal umgesetzt werden, da der Begriff „indigene Völker“ nach Ansicht der indonesischen Regierung zweideutig und für die Verwendung in Indonesien nicht geeignet ist.

Ohne klaren Schutz müssen die Gemeinschaften den komplizierten Anerkennungsprozess durchlaufen, wofür sie hart arbeiten müssen. Diese Möglichkeit besteht aber erst seit kurzem. In dem Dekret der Anerkennung ist dann das Waldgebiet der Indigenen im Detail festgelegt. Dieser Wald kann nicht mehr für Projekte zerstört werden, die das Überleben der Indigenen gefährden. Unter den heutigen Umständen ist dieser offizielle Prozess also der bestmögliche Weg.

Über diese Projekte habe ich mit den indigenen Gemeinschaften der Marind, Yeinan, Makleuw, Kimahima, Kanum und mit anderen Menschenrechts-Verteidigern in Merauke viel diskutiert. Diese Projekte bedrohen das Überleben der Wälder und der Einheimischen, besonders das neue „Zucker- und Bioethanol-Projekt Merauke“. Die Menschen haben ihre Erfahrungen mit MIFEE gemacht und daraus gelernt. Am Anfang hatte man ihnen ein Leben in Wohlstand versprochen. In der Realität aber, zum Beispiel in den Dörfern Zanegi und Baad, müssen die Menschen doppelt so viel arbeiten, um überhaupt überleben zu können.

Die Flüsse und Sümpfe, in denen Sago-Palmen wachsen, sind von den Abwässern der Ölpalmenplantagen verseucht. Das Wasser und die Fische sind vergiftet. Kinder leiden unter Mangelernährung und entwickeln sich nur kümmerlich. Außerdem haben die Unternehmen Konflikte unter den Dorfbewohnern provoziert. Die Menschen vor Ort lehnen diese Projekte kollektiv ab. Wir haben vor Regierungsstellen demonstriert und uns entschieden gegen die Zuckerrohrplantagen, die Zuckerfabriken und Bioethanolanlagen in Merauke ausgesprochen. Und tun es weiterhin.

Wir hoffen, dass die internationalen Freunde sich mit uns solidarisieren, damit die Wälder von Papua noch gerettet werden.

Informiert darüber, was hier in Papua geschieht, bringt die Vernichtung des Regenwaldes auf die internationale Bühne, macht Druck, damit unsere Regierung ihre Entscheidungen ändert.

Die Erlebnisse, an die ich mich gern erinnere und die mich immer zum Lächeln bringen, sind der Weg durch den Wald, wenn wir gemeinsam Sago herstellen wollten. Ich habe auch gelernt einige der typischen Sago-Speisen zuzubereiten, die Hauptnahrung in Westpapua. Zum Beispiel gebackener Sago, Sago Temple (eine Art Pfannkuchen aus Sago) und Papeda (Sago-Brei). Wir gingen durch den Wald bis zum Sumpf, in dem die Sago-Palmen wachsen, fällten einen Sago-Baum, den die Gemeinschaft für geeignet hielt, und begannen, das Mark zu verarbeiten, bis es schließlich zu Sago-Mehl wurde.

Sago-Palmen brauchen zehn und mehr Jahre, bis man sie nutzen kann. Die Menschen pflanzen sie immer mit dem Gedanken: „Ich werde ihn fällen, wenn ich alt bin“ oder „Ich pflanze diesen Baum, damit meine Kinder ihn fällen können, wenn sie erwachsen sind.“ Das hat mir deutlich gemacht, dass sie bei jeder Tätigkeit im Wald immer an die nächste Generation denken.

Ja, natürlich sind sie das! Indigene verfügen über einen intellektuellen Reichtum, der als „traditionelles ökologisches Wissen“ bekannt ist und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ihr Umgang mit dem Wald und dem Land dient dazu, das Überleben der Gemeinschaft zu sichern. Sie nutzen den Wald so, dass er erhalten bleibt. Sie sorgen dafür, dass der Wald gut und gesund bleibt.

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte, die ich über Sago erzählt habe. Sie pflanzen beständig neue Sago-Palmen, damit ihre Kinder und Enkelkinder auch in Zukunft genug zu essen haben. Sie jagen nach dem Jahreszeiten-Kalender, damit sie nicht achtlos zu viele Tiere erlegen. Sie geben den Tieren und Pflanzen Zeit, sich zu erholen, damit das Leben im Wald gedeiht und immer weitergeht.


Dieses Interview wurde von Rettet den Regenwald zur Verfügung gestellt. Wir danken für die Genehmigung, es veröffentlichen zu dürfen.

Über Rettet den Regenwald:

Rettet den Regenwald hat das klare Ziel, die Regenwälder dieser Erde als einzigartige Ökosysteme und Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen zu erhalten. Die Partnerorganisationen von Rettet den Regenwald sind vor Ort präsent, um die Pläne für Regenwald-Abholzungen möglichst schon im Vorfeld aufzudecken. Sie unterstützen Betroffene, sich zu mobilisieren und ihren Rechten Geltung zu verschaffen. Wo immer möglich, schützen sie Regenwaldgebiete oder gewinnen sie zurück, um sie gemeinsam mit den dort lebenden Menschen langfristig zu sichern.


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