Ein erneuter Angriff auf die Medienfreiheit in Westpapua
Das Redaktionsbüro der in Westpapua ansässigen Nachrichtenagentur Jubi wurde am 16. Oktober 2024 in den frühen Morgenstunden mit Molotowcocktails beworfen. Das Büro von Jubi befindet sich in der Stadt Jayapura, Provinz Papua.
Bei dem Angriff wurden zwei Autos in Brand gesetzt. Personen und/oder Gebäude kamen nicht zu Schaden. Augenzeug*innen berichteten von zwei in schwarz gekleideten Personen, die auf Motorrollern flüchteten.
Der Angriff wurde von Menschenrechtsaktivist*innen als erneuter Angriff auf die Medienfreiheit verurteilt, nachdem frühere Angriffe von der Polizei (auch z.B. gegen den Jubi-Chefredakteur Victor Mambor) nicht aufgeklärt werden konnten. Der Vorsitzende der Alliance of Independent Journalist (AJI) in Jayapura, Lucky Ireuw, forderte die Polizei auf, den Fall gründlich zu untersuchen. „AJI wird zusammen mit dem LBH Pers [Legal Aid Institute for the Press] und allen Parteien die Bearbeitung dieses Falles überwachen, bis er gelöst ist“, sagte Ireuw. Neben der physischen Bedrohung sei dies auch ein direkter Angriff auf die Demokratie und Pressefreiheit in Westpapua, so ein weiterer Medienaktivist.
Gustaf Kawer, Direktor der Papua Human Rights Lawyers Association (PAHAM), forderte die Polizei auf, die Verantwortlichen zu fassen und warnte, dass es sonst zu ähnlichen Angriffen kommen könnte. „Wenn der Fall nicht aufgeklärt wird, wird sich die Öffentlichkeit fragen, wer dahinter steckt. Handelt es sich um Außenstehende oder um Angehörige der Behörden? Ich halte es für wichtig, die Täter aufzuklären, um zukünftige Vorfälle zu verhindern und sicherzustellen, dass die Presse frei arbeiten kann“, sagte er.
Frits Ramandey, Leiter des Papua-Büros der Nationalen Menschenrechtskommission, der den Tatort ebenfalls besuchte, sagte, dass ähnliche Vorfälle in den Jahren 2021 und 2023 auf lokale Journalisten abzielten. „Wenn dies nicht angegangen wird, macht sich die Polizei mitschuldig daran, dass der Terror überall stattfinden kann“, so Ramandey.
Presse- und Medienfreiheit in Westpapua
Westpapua ist kein Thema, das viel Raum in europäischen oder internationalen Medien einnimmt. Seit Jahren erhalten ausländische Journalist*innen keinen Zugang zu Westpapua und so wird es wortwörtlich vor der internationalen Presse durch die indonesische Regierung abgeschirmt. Auch für nationale Medien ist es schwierig, uneingeschränkt über Westpapua berichten zu können und Zugang zu Informationen zu erhalten. Hinzu kommt das Problem, dass es seit einigen Jahren immer mehr Falschmeldungen bzw. einseitige Berichterstattungen zu der Situation in Westpapua gibt.
Jubi als wichtige Informationsquelle
Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, ein Informationsmedium zu haben, das vor Ort in Westpapua ansässig ist, von dort berichtet und dabei die Grundpfeiler des Journalismus einhält: Sorgfalt bei der Recherche, Unparteilichkeit, Relevanz, Aktualität, Vertraulichkeit, Unabhängigkeit und Wahrhaftigkeit. Für viele Papuas und auch für viele Einzelpersonen und Organisationen aus dem In- und Ausland, die zu Westpapua arbeiten, ist dies die Nachrichtenplattform Jubi.
Jubi wurde vor 22 Jahren gegründet und hat sich vom Printjournalismus primär zu einer Onlineplattform gewandelt. Neben der immer noch dreimal wöchentlich erscheinenden Printausgabe und den digitalen Nachrichten auf der Homepage gehört seit zwei Jahren auch JubiTV zu dem Nachrichtenangebot. Etwas, das besonders von den Papuas gewünscht wurde, um die geschriebenen Nachrichten mit Fotos und Videoaufzeichnungen zu ergänzen. In dem für ausländische Journalist*innen weiterhin unzugänglichen Westpapua ist dies von großer Bedeutung, um Nachrichten zu verifizieren und um Falschmeldungen entgegenzuwirken.
Denn wie auch überall auf der Welt, wenn es politische Kontroversen und verschiedene Meinungen gibt, sieht sich auch Jubi seit 2016 mit gezielten Kampagnen politisch starker Akteur*innen konfrontiert, die Falschmeldungen zu Westpapua verbreiten. Jubi ist daher für viele Papuas eine besonders vertrauenswürdige Quelle.
Aber auch Jubi steht vor der Herausforderung, dass Webseiten und soziale Medien regelmäßig gehackt werden und private Daten der Angestellten im Internet veröffentlicht werden. Die IT-Sicherheit zu gewährleisten, ist daher mit hohen finanziellen Kosten verbunden. Nach dem Bombenanschlag vor Victor Mambors Haus im Januar 2023 haben sie auch ihre physischen Sicherheitsstrategien nochmal erhöht: Keiner ist mehr alleine unterwegs (mindestens zu dritt) und zu Treffen werden getrennte Autos genommen.
Insgesamt arbeiten ca. 50 Personen für Jubi. Etwa 30 als feste Mitarbeiter*innen in Jayapura und 20 als freie Redakteur*innen in anderen Regionen Westpapuas. Da in Jayapura oft das Internet abgestellt wird, bleibt so der Informationsfluss bewahrt. Die Mitarbeiter*innen sind nicht nur indigene Papuas, teilen jedoch das gleiche Mindset: „Jubi ist Familie“. Auch in den neuen Provinzen sollen neue Büros errichtet werden.
Seit einiger Zeit arbeitet Jubi auch mit Freiwilligen zusammen, die die Jubi-Nachrichten auch in andere Sprachen wie Englisch, Deutsch und Französisch übersetzen und steigert so noch einmal die Reichweite. Zudem kooperiert Jubi auch mit Medienunternehmen im In- und Ausland wie BBC oder Reuters. Es ist ihnen wichtig, dass Westpapua in den nationalen und internationalen Medien sichtbar wird und wahrhaftige Nachrichten verbreitet werden: „Das, was wir produzieren, darf jeder reproduzieren.“
Dass die Situation in Westpapua sich weiter verschlechtert anstatt besser zu werden und auch die Arbeit von Journalist*innen immer schwerer wird, wird ihnen jeden Tag bewusst:
„Wir sind froh, wenn es uns in fünf Jahren noch gibt“ [die Redakteur*innen im Gespräch mit dem WPN im März 2023].