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Jayapura brennt - Mehrere Gebäude wurden bei den Unruhen niedergebrannt (Foto: örtlicher Aktivist)

Drittes Update: Gerichtsprozesse nach Anti-Rassismus-Protesten in Westpapua

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Prozesse im Zusammenhang mit papuaweiten Antirassismus-Protesten zwischen Ende August und Ende September 2019 sowie über die nachfolgende Welle der Strafverfolgung von Menschenrechtsverteidigern und politischen Aktivisten. Zuvor hatte das Westpapua-Netzwerk drei Artikel zum Verlauf der Gerichtsverfahren auf der WPN Webseite veröffentlicht (erste Zusammenfassung, erstes Update, zweites Update). Dieser Artikel fasst die wichtigsten Entwicklungen in den Prozessen im März 2020 zusammen.

Statistische Daten deuten darauf hin, dass indonesische Polizeibeamte Berichten zufolge zwischen dem 18. August und dem 25. September 2019 mindestens 525 Festnahmen durchführten. In der Folge leiteten die Polizei und die Staatsanwaltschaft rechtliche Schritte gegen mindestens 116 Verdächtige ein. Zweiundzwanzig von ihnen wurden wegen Hochverrats angeklagt, da sie entweder an Demonstrationen gegen Rassismus teilnahmen oder sich friedlich für das Recht auf Selbstbestimmung einsetzten.

 

Aktuelles zu den Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Unruhen in Jayapura

Die ersten Prozesse im Zusammenhang mit den Unruhen vom 28. August 2019 in Jayapura begannen bereits Anfang November 2019. Neunundzwanzig Angeklagte wurden vor dem Bezirksgericht von Jayapura in mehreren Gerichtsverfahren mit unterschiedlichen Anklagepunkten verhandelt. Das Gerichtsverfahren gegen einen Angeklagten wurde eingestellt, nachdem ein Anwalt nachwies, dass der Angeklagte noch minderjährig war. Achtundzwanzig Angeklagte wurden zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt, obwohl ihre Anklagepunkte stark variierten. Siebzehn Angeklagte legten gegen das Urteil Berufung ein und erklärten, sie seien unschuldig und hätten während der Unruhen an keinen kriminellen Handlungen teilgenommen. Donny Itlay, ein Mitglied der Bewegungsorganisation West Papua National Committee (KNPB), wurde zu einer siebenmonatigen Haftstrafe verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, gestohlene Güter verkauft zu haben.

 

Update zur Lage von sieben politischen Gefangenen in Kalimantan

Der Prozess gegen die sieben papuanischen politischen Aktivisten Fery Kombo, Alexander Gobay, Hengki Hilapok, Buchtar Tabuni, Irwanus Uropmabin, Stevanus Itlay und Agus Kossay vor dem Bezirksgericht Balikpapan ist noch nicht abgeschlossen. Die Richter lehnten das Plädoyer der Verteidigung ab und begannen mit der Vernehmung von Zeugen. Der erste Zeuge, ein Polizeibeamter, sagte am 12. März 2020 vor Gericht im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Irwanus Uropmabin, Alexander Gobay und Hengki Hilapok aus. Die Vernehmung führte zu einer Auseinandersetzung mit dem Anwalt der Angeklagten, nachdem verschiedene Ungereimtheiten in der Aussage des Beamten festgestellt wurden. Die Anwälte verstanden diese Ungereimtheiten als Indikator für mangelnde Professionalität bei der polizeilichen Ermittlung. Der Zeuge sagte aus, dass Anwälte anwesend waren, als er Irwanus Uropmabin befragte. Er nannte sogar die Namen verschiedener Anwälte. Diese Anwälte sagten jedoch selbst aus, dass sie nie an der polizeilichen Vernehmung teilgenommen hätten. Der Zeuge war auch nicht in der Lage, sich an Einzelheiten bei der Vernehmung von Alexander Gobay zu erinnern. Der Beamte wich wiederholt Fragen aus, indem er den Anwalt aufforderte, den Polizeibericht zu lesen.

Der Prozess wurde wiederholt verzögert. Der Staatsanwalt behauptete, er habe 15 Zeugen vorgeladen, die vor Gericht aussagen sollten. Die Zeugen nahmen jedoch wiederholt nicht an der Verhandlung teil. Der Staatsanwalt erwähnte Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Indonesien als Grund für die Abwesenheit von Zeugen. Rechtsanwalt Gustaf Kawer schlug den Richtern vor, den Prozess nach Papua zu verlegen, auch, um das Risiko von Corona-Übertragungen zu verringern, da Zeugen, Staatsanwalt und Rechtsanwälte häufig über Flughäfen wie Jakarta reisen müssten, wo die Zahl der Corona-Fälle Ende März enorm zugenommen habe. Der Prozess wird am 30. März 2020 vor dem Bezirksgericht Balikpapan fortgesetzt.

 

Aktuelles zum Prozess gegen sechs pro-Papua-Aktivisten in Jakarta

Der Prozess gegen die politischen Pro-Papua-Aktivisten Surya Anta, Charles Kossay, Isay Wenda, Arina Lokbere und Ambrosius Mulait vor dem zentralen Bezirksgericht von Jakarta ist noch nicht abgeschlossen. Im gesamten März gab es in diesem Prozess keine nennenswerten Fortschritte, da die Gerichtsverhandlungen wiederholt verschoben wurden. Die Anwälte forderten zweimal die Verschiebung des Prozesses wegen der zunehmenden Zahl von Corona Infektionen in Jakarta, um die Gesundheit von Angeklagten, Anwälten, Staatsanwälten und Richtern zu schützen. Die Richter entschieden, dass der Prozess wie geplant fortgesetzt werde, wobei sie sich auf ein offizielles Ankündigungsschreiben des Obersten Gerichtshofs bezogen, in dem es hieß, dass alle Strafverfolgungsverfahren trotz der Corona-Pandemie fortgesetzt werden sollen.

 

Update zum Prozess gegen neun Angeklagte im Zusammenhang mit den September-Unruhen in Wamena

Mehrere Prozesse gegen Teilnehmer an den Unruhen in Wamena am 23. September 2019 liefen bereits an. Insgesamt nahm die Polizei im Zusammenhang mit den Unruhen 23 Personen fest.  Fünf Inhaftierte, nämlich Peben Yikwa, Ruben Esema, Kenius Weya, Anderson Mondalekma Uaga und Yagarsom Asso, wurden aus der Haft entlassen. Yagarsom Asso wurde während des Polizeigewahrsams offensichtlich gefoltert. Beamte brachten ihn in den Wald und schossen ihm Berichten zufolge vier Mal ins linke Bein und fünf Mal ins rechte Bein. Pacenus Hiluka wurde des Verstoßes gegen Artikel 2 über den Besitz oder Gebrauch von Hieb-, Stoß- oder Stichwaffen des Notstandsgesetzes Nr. 12/1951 für schuldig befunden. Er wurde zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt.

Nur elf Angeklagte stehen vor dem Bezirksgericht Jayawijaya in Wamena vor Gericht. Die meisten dieser Prozesse sind bereits eingeleitet worden, während sechs weitere Angeklagte, nämlich Yohanes Payage, Lucky Elopere, Konius Doga, Samuel Kurisi, Manu Marlon Alya und Sonny Yando, weiterhin auf den Prozessbeginn warten. Sie werden vor dem Bezirksgericht in Biak verhandelt. Die Staatsanwaltschaft und das Bezirksgericht in Wamena beantragten aus Sicherheitsgründen, einige der Prozesse an einem anderen Ort durchzuführen.

Die Anklagepunkte der Angeklagten weichen leicht voneinander ab. Die Mehrheit der Angeklagten wurde nach Artikel 187 (1) KUHP wegen vorsätzlicher Brandstiftung und nach Artikel 170 (1) KUHP wegen kollektiver Gewalt gegen Personen oder Gegenstände angeklagt. Zwei von ihnen wurden nach Artikel 160 KUHP wegen Aufhetzung angeklagt. Die Anklage gegen Narius Wenda unterscheidet sich von derjenigen der anderen Angeklagten. Im 1. Anklagepunkt wurde er nach Artikel 338 KUHP wegen Totschlag angeklagt, im 2. Anklagepunkt nach Artikel 351 (3) KUHP wegen Anwendung von Gewalt mit Todesfolge und im 3. Anklagepunkt nach Artikel 340 KUHP wegen vorsätzlichem Mord.

 

Update in Prozessen gegen Studenten nach Straßenschlacht in Waena am 23 September 2019

Vier Prozesse gegen zwölf Angeklagte im Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen papuanischen Studenten und gemeinsamen Sicherheitskräften am 23. September 2019 in Waena finden weiterhin vor dem Bezirksgericht von Jayapura statt. Einer der Angeklagten namens Assa Asso ist nach Artikel 106 KUHP wegen Verrat, nach Artikel 110 KUHP wegen krimineller Verschwörung, nach Artikel 160 KUHP wegen Aufhetzung und anderer Artikel angeklagt. Der Angeklagte Abraham Dote wurde zu einer Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt. In den anderen Verfahren gab es im März 2020 keine wesentlichen Entwicklungen.

 

Update im Prozess gegen neun Demonstranten bei Anti-Rassismus-Unruhen in Waghete

Am 6. März 2020 befanden die Richter die Angeklagten Steven Pigai, Mikael Bukega und Yos Iyai der Aufhetzung für schuldig und verurteilten sie zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten und 22 Tagen, was der Dauer der Haft entspricht. Sie waren bereits vor dem Urteil vorläufig entlassen worden. Die sechs Angeklagten Simon Petrus Ukago, Melianus Mote, Stefanus Goo, Andreas Douw, Alex Pakage und Yuven Pekei wurden ebenfalls für schuldig befunden, hauptsächlich wegen Verstoßes gegen das Notstandsgesetz Nr. 12/1951, Artikel 2 über den illegalen Besitz oder Gebrauch von Stich- und Hiebwaffen. Sie wurden zu einer Haftstrafe von sechs Monaten und 20 Tagen verurteilt und am 25. März 2020 freigelassen.

 

Prozesse gegen 14 Angeklagte im Zusammenhang mit Anti-Rassismus-Protesten in Manokwari

Drei weitere papuanische Aktivisten, Erik Aliknoe, Yunus Aliknoe und Pende Mirin, stehen weiterhin vor dem Bezirksgericht in Manokwari vor Gericht. Sie wurden verhaftet, da sie während der Antirassismus-Demonstration in Manokwari am 3. September 2019 Reden hielten. Der Staatsanwalt erhob Anklage gegen sie nach Artikel 106 KUHP wegen Verrat, nach Artikel 110 KUHP wegen krimineller Verschwörung und nach Artikel 160 KUHP wegen Aufhetzung. Der Prozess wurde am 6. Februar 2020 eröffnet und ist noch nicht abgeschlossen.

Die Aktivistin Sayang Mandabayan wurde am 2. September 2019 am Rendani-Flughafen Manokwari willkürlich verhaftet, nachdem sie mit 1.500 kleinen Morgenstern-Flaggen aus der Stadt Sorong zurückkehrte. Daraufhin wurde sie wegen Verrats nach Artikel 106 KUHP angeklagt. Der Prozess gegen sie begann am 13. Februar 2020. In beiden Verfahren wies die Richterjury die Klagegründe der Verteidigung zurück und fuhr mit der Zeugenvernehmung fort.

Die Richter setzten die Vernehmung von 16 Zeugen und 3 Sachverständigen für den Prozess gegen Erik Aliknoe, Yunus Aliknoe und Pende Mirin an. Vier der Zeugen wurden bereits vernommen. Nach Ansicht der Anwälte konnte keiner der Zeugen die Beteiligung des Angeklagten an Akten des Verrats oder einer kriminellen Verschwörung bestätigen. Verschiedene Zeugen traten wiederholt nicht vor Gericht auf. Der Prozess wird am 2. April 2020 fortgesetzt. Im Prozess gegen Sayang Mandabayan hatte der Staatsanwalt 16 Zeugen als Zeugen vor Gericht geladen. Da jedoch nur ein Zeuge an der Anhörung teilnahm, wurden die Gerichtssitzungen zweimal verschoben. Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Nach Informationen der örtlichen Menschenrechtsorganisation LP3BH Manokwari wurden neun weitere Demonstranten wegen angeblicher Beteiligung an Vandalismus und Brandstiftung in Manokwari während der Unruhen vom 19. August 2019 verhaftet. Ihre Anklagen variieren.

 

Prozess gegen vier politische Aktivisten in Sorong eröffnet

Anfang März 2020 wurde vor dem Bezirksgericht Sorong ein Prozess gegen die vier Aktivisten Yoseph Laurens Syufi, Ethus Paulus Miwak Kareth, Manase Baho und Herman Sabo eingeleitet.  Ihnen wurden Artikel 110 (1) KUHP über kriminelle Verschwörung in Verbindung mit Artikel 87 KUHP & 106 KUHP, die sich beide auf Verrat beziehen, sowie Artikel 14 über die Verbreitung falscher Nachrichten oder Mitteilungen nach Gesetz 14/1946 über strafrechtliche Bestimmungen zur Last gelegt. Die vier Aktivisten wurden verhaftet, da sie während einer friedlichen Demonstration in Sorong am 17. und 18. September 2019 die Fahne mit dem Morgenstern schwenkten und Transparente und andere Gegenstände mit dem Morgenstern mit sich trugen. Die Gerichtssitzungen wurden zweimal vertagt, nachdem die Richter das Plädoyer der Verteidigung ablehnten. Die Verzögerungen entstanden, da die von den Staatsanwälten geladenen Zeugen nicht vor Gericht erschienen. Während der Gerichtsverhandlung am 12. März 2020 protestierten die Angehörigen der Angeklagten lautstark gegen die wiederholten Prozessverzögerungen und forderten die Freilassung der vier Aktivisten für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft erneut keine Zeugen vor Gericht stellt. Der Prozess wurde mit der Zeugenvernehmung fortgesetzt und ist noch nicht abgeschlossen.

 

Sechs Angeklagte warten auf ihren Prozess im Zusammenhang mit einer Anti-Rassismus-Demonstration in Oksibil, Pegunungan Bintang Regency

Die sechs Angeklagten mit den Namen Yonus Deal, Keus Balyo, Herman Tonabial, Carlos Asemki, Yosmin Uyala und Yuli Malyo, wurden am 27. September 2019 im Zusammenhang mit der Brandstiftung auf einem lokalen Markt in Oksibil, Pegunungan Bintang Regency, verhaftet. Die Polizeibeamten beschuldigten fünf der Angeklagten, mit der politischen Pro-Unabhängigkeitsbewegung West Papua National Committee (KNPB) in Verbindung zu stehen. Dies deutet stark darauf hin, dass die Anklagen Teil einer Indonesien-weiten „Kriminalisierungskampagne“ gegen papuanische politische Aktivisten waren. Ähnlich wie bei anderen Strafverfolgungsverfahren gegen politische Aktivisten wurde der Ort der Gerichtsverhandlung geändert. Die sechs Angeklagten werden in Biak vor Gericht gestellt.

 

Update zu anderen Strafverfolgungsprozessen im Zusammenhang mit Antirassismus-Demonstrationen im August 2019

Drei Angeklagte namens Paskalis Tuturot, Rudi Relis und Jhon Erik Asem befinden sich noch immer in Fakfak in Haft und warten auf den Beginn ihres Prozesses. Nach Angaben von Anwälten werden sie auf der Polizeistation des Bezirks Fakfak festgehalten und warten auf den Prozessbeginn. Sie wurden zehn Tage nach Ausbrüchen ethnischer Gewalt und Unruhen in Fakfak am 21. August 2019 an verschiedenen Orten festgenommen. Während der Unruhen wurde ein lokaler Markt bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Allen Angeklagten wird vorsätzliche Brandstiftung gemäß Artikel 187 KUHP vorgeworfen. Zwei von ihnen wurden zusätzlich wegen Aufhetzung nach Artikel 160 KUHP angeklagt.

In der Stadt Timika wurden drei Demonstranten namens Terianus Madlama, Riko Wariensi und Nius Wenda im Zusammenhang mit der Antirassismus-Demonstration und den anschließenden Unruhen am 21. August 2019 verhaftet. Riko Wariensi wurde des Verstoßes gegen Artikel 170 KUHP über kollektive Gewalt gegen Personen oder Gegenstände für schuldig befunden, während Nius Wenda des Besitzes oder Gebrauchs von Hieb-, Stoß- oder Stichwaffen gemäß Artikel 2 des Notstandsgesetzes Nr. 12/1951 für schuldig befunden wurde. Beide Angeklagten wurden zu einer siebenmonatigen Haftstrafe verurteilt. Ähnlich wie in Jayapura waren die Urteile von Riko Wariensi und Nius Wenda die gleichen, obwohl sich ihre Anklagepunkte stark unterschieden. Nach den vorliegenden Informationen ist der Prozess gegen Terianus Medlama vor dem Bezirksgericht in Timika noch nicht abgeschlossen. Er wurde nach Artikel 363 KUHP wegen Diebstahl und nach Artikel 170 KUHP wegen kollektive Gewalt gegen Personen oder Gegenstände angeklagt.