Am 8. Januar 2007 fand, wie bereits einmal am 13. Dezember 2004, im House of Lords eine Debatte über West-Papua statt. Anlass waren die jüngsten Militär- und Polizeiaktionen in Puncak Jaya im Hochland von West-Papua. London Hous of Parlaments jpg 2004 erklärte Baronin Symons of Vernham Dean, Staatsministerin im Außenministerium und Regierungssprecherin für außenpolitische Angelegenheiten im House of Lords, dass „1.000 handverlesene“ Papuas „zum großen Teil gezwungen worden waren“ während des Referendums im Jahre 1969 („Act of free Choice“ bzw. „Act of no choice“) für den Anschluss West-Papuas an die Republik Indonesien zu stimmen. Die Baronin reagierte auf eine Erklärung des Lord Bischofs von Oxford. Der Bischof führte die historische Tatsache der manipulierten Volksbefragung als eine Ursache für die aktuelle Gewalt in West-Papua an. Im Nachjahr 2004 waren nämlich Sicherheitskräfte in Puncak Jaya im Hochland von West-Papua einmarschiert und verbreiteten auf der Suche nach einer angeblichen Mörderbande (Kämpfer der OPM) Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung. Tausende verließen ihre Dörfer und nahmen Zuflucht in den Bergen und Wäldern (siehe West Papua Rundbrief Nr. 33). Die Baronin sah dies mit großer Sorge, wollte aber dem damals gerade vereidigten neuen Präsidenten, Susilo Bambang Yudhoyono eine Chance geben, sein Wahlversprechen, die Lage in West-Papua ohne Gewalt zu entspannen, einzulösen. Falls die Sonderautonomie für West-Papua im Rahmen der Republik Indonesien tatsächlich zugunsten der Papuas umgesetzt würde, wäre dies zu begrüßen. Aus der Sicht vieler Beobachter kam die Baronin, als erste hohe Repräsentantin einer Weltmacht, der Position sehr nahe, dass den Papuas ihr Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten worden war. Lord Avebury betonte, dass auch die Teilung der Provinz durch die vorherige Präsidentin Megawati Soekarnoputri (gegen den Willen der Papuas und unter Missachtung und Verletzung des Autonomiegesetzes), eine andere Ursache für die aktuelle Gewalt darstellte. Ein Herzog, Earl Attlee, verwies auch auf die Verantwortung der niederländischen Regierung für West-Papua. Januar 2007: Gut zwei Jahre nach der oben beschriebenen Debatte, sieht die Lage in Puncak Jaya schon wieder (oder immer noch) verheerend aus. Als Reaktion auf zwei schreckliche Morde an Militärs und das Hissen der Morgensternflagge durch Partisanen der OPM (siehe E-Info Nr. 187 vom 27. Dezember 2006), wurde wieder einmal mit unverhältnismäßig starker Gewalt reagiert. Massenweise wurden Truppen (Militär und Polizei) ins Hochland verlegt und wieder werden vor allem unschuldige Zivilisten Opfer der Jagd auf „Terroristen“. Und wieder einmal stellen die Lords und Ladies kritische Fragen an Her Majesty’s Government: Lord Harries of Pentregarth erhebt sich und sagt: “My Lords, ich danke der Regierung für diese kurze Debatte”. „West-Papua mag weit weg liegen und seine Probleme mögen, im Vergleich zu den Problemen im Mittleren Osten, gering erscheinen. Für die Menschen in dieser Region sind sie aber unmittelbar und schmerzlich. Außerdem geht es hier um Prinzipien, die eine fundamentale Bedeutung für das zivilisierte Leben in der modernen Welt haben.“ Der Lord stellt fest, dass die Menschen West-Papuas ein Recht auf freie Selbstbestimmung haben, genauso wie die Papuas in Papua Neuguinea, die von diesem Recht vor mehr als 30 Jahren gebrauch machen konnten und sich vom britischen Empire gelöst hatten. Der Lord, dessen persönliche Meinung es ist, dass die Papuas sich nicht von Javanern regieren lassen wollen, geht ferner auf die geschichtlichen Hintergründe des aktuellen Konflikts in West-Papua ein und stellt drei Fragen zu dem Problem, wie die britische Regierung auf die Politik der starken Hand Jakartas und die Missachtung der Menschenrechte reagieren sollte: 1) Wird die britische Regierung das Problem West-Papua vor die UNO bringen? 2) Wird die Regierung aufgrund der Berichte von Amnesty International stärker auf die Menschrechtssituation ansprechen? (Er nennt u. a. Folter und politische Gefangene). 3) Wie steht es mit der Redefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Freiheit politische Parteien zu gründen, dem freien Zugang der Presse und der Nichtregierungsorganisationen? Dies sind Grundvoraussetzungen für einen Dialog zwischen den Papuas und der indonesischen Regierung. Momentan schafft die indonesische Regierung aber keine Voraussetzungen für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Lord Griffiths of Burry Port gratuliert Lord Harries für seine beeindruckenden Ausführungen zu West-Papua und erinnert die Anwesenden an die Rede der Baronin Symons von Vernham Dean im Jahre 2004, in der sie die Worte in den Raum stellte: “What should happen now?” (was sollte jetzt geschehen?). Denn für die Papuas hat sich nichts geändert. Die wirtschaftliche Ausbeutung ihres Landes währt fort und ständig neue Siedler, vorwiegend Muslime, bevölkern ihr Land. Die Papuas fühlen sich bedroht: Ein sehr gefährliches Konfliktpotenzial (er vergleicht Osttimor und Eritrea). Lord Archer of Sandwell benutzt in diesem Zusammenhang sogar den Begriff „unlawful usurpation” (unrechtmäßige Eroberung) für die Politik Jakartas. Lord Judd appelliert an die Selbstverpflichtung der britischen Regierung, sich in der Welt für die Menschenrechte, verantwortliche Regierungsführung und Demokratie einzusetzen. Daraus ergibt sich die Pflicht, auf die Unrechtsituation in West-Papua einzugehen. Ein Papuaaktivist, Benny Wenda, habe die Situation unlängst in einem offenen Brief an den indonesischen Botschafter in London beschrieben. In diesem Brief, so die Ausführung des Lords, wird in beeindruckender Weise die Besetzung des Landes, die Durchführung des Volksentscheides im Jahre 1969, die Vertreibung der Menschen und die Ausbeutung der Naturressourcen beschrieben. Die Umwelt wird zerstört, Menschen verlieren ihr Hab und Gut, sie werden vergewaltigt und ermordet. Zitat aus dem Brief an den indonesischen Botschafter: „Unser Land ist unsere Mutter … Ihr aber habt sie an britische, amerikanische und australische Unternehmen wie Rio Tinto und BP verkauft. Ihr werdet reich, während wir in West-Papua ärmer und ärmer werden. Nicht dass wir Eure Art von Reichtum wünschten, sondern weil wir ohne unsere Mutter sterben müssen.“ Und der Brief endet mit den Worten: „Ihr sagt, wir seien ‘freie und gleiche Bürger der neuen indonesischen Demokratie’. Aber wenn wir sagen, dass wir diese neue, freie Demokratie nutzen wollen um demokratisch und friedlich für Unabhängigkeit zu werben und wenn wir nur unsere eigene Flagge über unserem Land wehen sehen wollen, überflutet Ihr unser Land mit Soldaten, sperrt uns in Gefängnisse und foltert und tötet uns“. Der Lord, der Indonesien und Osttimor bereist hat, räumt ein, dass nicht jede Ethnie in dieser Welt einen eigenen Staat haben kann. Das würde weder politisch noch wirtschaftlich sinnvoll sein. Aber für Frieden bedarf es des Vertrauens. Und das scheint bei sehr vielen Papuas gegenüber der indonesischen Regierung nicht mehr vorhanden zu sein. (uh) Quellen: The United Kingdom Parliament, Minutes of the House of Lords, 13 Dec 2004 : Column 1084, Indonesia: West Papua; Minutes of the House of Lords, 8 January 2007 : Column 91-97.
Am 8. Januar 2007 fand, wie bereits einmal am 13. Dezember 2004, im House of Lords eine Debatte über West-Papua statt. Anlass waren die jüngsten Militär- und Polizeiaktionen in Puncak Jaya im Hochland von West-Papua. London Hous of Parlaments jpg 2004 erklärte Baronin Symons of Vernham Dean, Staatsministerin im Außenministerium und Regierungssprecherin für außenpolitische Angelegenheiten im House of Lords, dass „1.000 handverlesene“ Papuas „zum großen Teil gezwungen worden waren“ während des Referendums im Jahre 1969 („Act of free Choice“ bzw. „Act of no choice“) für den Anschluss West-Papuas an die Republik Indonesien zu stimmen. Die Baronin reagierte auf eine Erklärung des Lord Bischofs von Oxford. Der Bischof führte die historische Tatsache der manipulierten Volksbefragung als eine Ursache für die aktuelle Gewalt in West-Papua an. Im Nachjahr 2004 waren nämlich Sicherheitskräfte in Puncak Jaya im Hochland von West-Papua einmarschiert und verbreiteten auf der Suche nach einer angeblichen Mörderbande (Kämpfer der OPM) Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung. Tausende verließen ihre Dörfer und nahmen Zuflucht in den Bergen und Wäldern (siehe West Papua Rundbrief Nr. 33). Die Baronin sah dies mit großer Sorge, wollte aber dem damals gerade vereidigten neuen Präsidenten, Susilo Bambang Yudhoyono eine Chance geben, sein Wahlversprechen, die Lage in West-Papua ohne Gewalt zu entspannen, einzulösen. Falls die Sonderautonomie für West-Papua im Rahmen der Republik Indonesien tatsächlich zugunsten der Papuas umgesetzt würde, wäre dies zu begrüßen. Aus der Sicht vieler Beobachter kam die Baronin, als erste hohe Repräsentantin einer Weltmacht, der Position sehr nahe, dass den Papuas ihr Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten worden war. Lord Avebury betonte, dass auch die Teilung der Provinz durch die vorherige Präsidentin Megawati Soekarnoputri (gegen den Willen der Papuas und unter Missachtung und Verletzung des Autonomiegesetzes), eine andere Ursache für die aktuelle Gewalt darstellte. Ein Herzog, Earl Attlee, verwies auch auf die Verantwortung der niederländischen Regierung für West-Papua. Januar 2007: Gut zwei Jahre nach der oben beschriebenen Debatte, sieht die Lage in Puncak Jaya schon wieder (oder immer noch) verheerend aus. Als Reaktion auf zwei schreckliche Morde an Militärs und das Hissen der Morgensternflagge durch Partisanen der OPM (siehe E-Info Nr. 187 vom 27. Dezember 2006), wurde wieder einmal mit unverhältnismäßig starker Gewalt reagiert. Massenweise wurden Truppen (Militär und Polizei) ins Hochland verlegt und wieder werden vor allem unschuldige Zivilisten Opfer der Jagd auf „Terroristen“. Und wieder einmal stellen die Lords und Ladies kritische Fragen an Her Majesty’s Government: Lord Harries of Pentregarth erhebt sich und sagt: “My Lords, ich danke der Regierung für diese kurze Debatte”. „West-Papua mag weit weg liegen und seine Probleme mögen, im Vergleich zu den Problemen im Mittleren Osten, gering erscheinen. Für die Menschen in dieser Region sind sie aber unmittelbar und schmerzlich. Außerdem geht es hier um Prinzipien, die eine fundamentale Bedeutung für das zivilisierte Leben in der modernen Welt haben.“ Der Lord stellt fest, dass die Menschen West-Papuas ein Recht auf freie Selbstbestimmung haben, genauso wie die Papuas in Papua Neuguinea, die von diesem Recht vor mehr als 30 Jahren gebrauch machen konnten und sich vom britischen Empire gelöst hatten. Der Lord, dessen persönliche Meinung es ist, dass die Papuas sich nicht von Javanern regieren lassen wollen, geht ferner auf die geschichtlichen Hintergründe des aktuellen Konflikts in West-Papua ein und stellt drei Fragen zu dem Problem, wie die britische Regierung auf die Politik der starken Hand Jakartas und die Missachtung der Menschenrechte reagieren sollte: 1) Wird die britische Regierung das Problem West-Papua vor die UNO bringen? 2) Wird die Regierung aufgrund der Berichte von Amnesty International stärker auf die Menschrechtssituation ansprechen? (Er nennt u. a. Folter und politische Gefangene). 3) Wie steht es mit der Redefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Freiheit politische Parteien zu gründen, dem freien Zugang der Presse und der Nichtregierungsorganisationen? Dies sind Grundvoraussetzungen für einen Dialog zwischen den Papuas und der indonesischen Regierung. Momentan schafft die indonesische Regierung aber keine Voraussetzungen für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Lord Griffiths of Burry Port gratuliert Lord Harries für seine beeindruckenden Ausführungen zu West-Papua und erinnert die Anwesenden an die Rede der Baronin Symons von Vernham Dean im Jahre 2004, in der sie die Worte in den Raum stellte: “What should happen now?” (was sollte jetzt geschehen?). Denn für die Papuas hat sich nichts geändert. Die wirtschaftliche Ausbeutung ihres Landes währt fort und ständig neue Siedler, vorwiegend Muslime, bevölkern ihr Land. Die Papuas fühlen sich bedroht: Ein sehr gefährliches Konfliktpotenzial (er vergleicht Osttimor und Eritrea). Lord Archer of Sandwell benutzt in diesem Zusammenhang sogar den Begriff „unlawful usurpation” (unrechtmäßige Eroberung) für die Politik Jakartas. Lord Judd appelliert an die Selbstverpflichtung der britischen Regierung, sich in der Welt für die Menschenrechte, verantwortliche Regierungsführung und Demokratie einzusetzen. Daraus ergibt sich die Pflicht, auf die Unrechtsituation in West-Papua einzugehen. Ein Papuaaktivist, Benny Wenda, habe die Situation unlängst in einem offenen Brief an den indonesischen Botschafter in London beschrieben. In diesem Brief, so die Ausführung des Lords, wird in beeindruckender Weise die Besetzung des Landes, die Durchführung des Volksentscheides im Jahre 1969, die Vertreibung der Menschen und die Ausbeutung der Naturressourcen beschrieben. Die Umwelt wird zerstört, Menschen verlieren ihr Hab und Gut, sie werden vergewaltigt und ermordet. Zitat aus dem Brief an den indonesischen Botschafter: „Unser Land ist unsere Mutter … Ihr aber habt sie an britische, amerikanische und australische Unternehmen wie Rio Tinto und BP verkauft. Ihr werdet reich, während wir in West-Papua ärmer und ärmer werden. Nicht dass wir Eure Art von Reichtum wünschten, sondern weil wir ohne unsere Mutter sterben müssen.“ Und der Brief endet mit den Worten: „Ihr sagt, wir seien ‘freie und gleiche Bürger der neuen indonesischen Demokratie’. Aber wenn wir sagen, dass wir diese neue, freie Demokratie nutzen wollen um demokratisch und friedlich für Unabhängigkeit zu werben und wenn wir nur unsere eigene Flagge über unserem Land wehen sehen wollen, überflutet Ihr unser Land mit Soldaten, sperrt uns in Gefängnisse und foltert und tötet uns“. Der Lord, der Indonesien und Osttimor bereist hat, räumt ein, dass nicht jede Ethnie in dieser Welt einen eigenen Staat haben kann. Das würde weder politisch noch wirtschaftlich sinnvoll sein. Aber für Frieden bedarf es des Vertrauens. Und das scheint bei sehr vielen Papuas gegenüber der indonesischen Regierung nicht mehr vorhanden zu sein. (uh) Quellen: The United Kingdom Parliament, Minutes of the House of Lords, 13 Dec 2004 : Column 1084, Indonesia: West Papua; Minutes of the House of Lords, 8 January 2007 : Column 91-97.