Die Organisation „Free West Papua-Campaign“ hat den Vereinten Nationen (UN) eine historische Petition vorgelegt, welche die UN dazu anhält, gegen Menschenrechtsverletzungen in Westpapua aktiv zu werden und das Recht indigener Papuas auf Selbstbestimmung wahrzunehmen. Die weltweite Petition wurde im Januar 2017 im britischen Parlament unter der Leitung des Papua-Unabhängigkeitsführers Benny Wenda ins Leben gerufen. Am 28. August 2017 hatte „Free West Papua-Campaign“ eine Schwimm-Aktion organisiert, bei der das historische Dokument von sechs Schwimmerinnen und Schwimmern über den Genfer See gebracht wurde (siehe Foto links). Drei Tage später geleiteten die Schwimmer die Petition zusammen mit Benny Wenda und einer Gruppe von Papua Aktivisten in einem symbolischen Akt zum Büro der Vereinten Nationen in Genf.
Einer öffentlichen Erklärung auf der Webseite von Benny Wenda zufolge, übergaben ULMWP-Sprecher Benny Wenda und ULMWP Exekutivmitglied Rex Rumakiek die Petition später an einen hochrangigen UN Vertreter in New York. Benny Wenda erklärte „Ich habe sie [die Petition] auch an das Sekretariat des Dekolonisierungsausschusses (C-24) und des Sonderkomitees für Politik und Dekolonialisierung (Viertes Komitee) der UN Generalversammlung übermittelt, und die Vereinten Nationen darum gebeten die Situation in Westpapua neu zu beurteilen.“ Die Britische Tageszeitung ‚The Guardian‘ veröffentlichte am 27. September 2017 einen Artikel über die Petition und deren Übergabe an den Dekolonisierungsausschuss der Vereinten Nationen. Allerdings wurde die Übergabe vom Vorsitzenden des C-24 Ausschusses, Rafael Ramirez, am 29. September 2017 in einem Interview mit Journalisten der indonesischen Tageszeitung ‚Jakarta Post‘ relativiert indem er betonte, dass ihn als Vorsitzenden persönlich keine Petition erreicht hätte. An anderer Stelle betonte Ramirez, dass sein Ausschuss nicht über den Inhalt der Liste der zu dekolonialisierenden Gebiete zu entscheiden hätte sondern sich nur um die von der UN-Generalversammlung beschlossene Liste kümmere.
Die Petition, die an den UN-Generalsekretär addressiert ist, fordert von der UN „einen Sondergesandten zu ernennen, um die Menschenrechtssituation in Westpapua zu untersuchen“ und „Westpapua auf die Agenda des Dekolonialisierungsausschusses der UN zu setzen und sicher zu stellen, dass das Recht auf Selbstbestimmung indigener Papuas – ein Recht, dass ihnen 1969 versagt wurde – respektiert würde indem eine international überwachte Abstimmung abgehalten wird (in Einklang mit Resolution 1514 und 1541 (XV) der UN-Generalversammlung.“
Benny Wenda erklärte, dass die Petition von 1.804.421 Menschen unterstützt wurde. Interessanterweise haben nicht nur 1.708.167 indigene Papuas, sondern auch 96.254 Indonesier nicht-papuanischer Abstammung die Petition unterzeichnet. Sollten diese Zahlen stimmen, entspricht die Anzahl der Unterschriften indigener Papuas nach neuesten unabhängigen Untersuchungen durch den australischen Demographen Jim Elmslie geschätzte 70,88% der indigenen Bevölkerung West Papuas. Die indonesische Regierung hatte schnell auf die Online-Petition reagiert, indem sie die entsprechende Webseite in ganz Indonesien sperrte. So wurde eine ausgedruckte Version der Petition heimlich „von einem Ende Papuas zum anderen umher gereicht“, so Wenda.
Der Sprecher des indonesischen Außenministeriums Arrmanatha Nasir versuchte die Petition herunterzuspielen indem er sie einen „PR Gag dem es an jeglicher Glaubwürdigkeit fehle“ nannte und betonte, dass „Papua ein integraler Bestandteil Indonesiens sei, laut der Resolution 2504 (XXIV), die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1969 verabschiedet wurde.“
Historischer Hintergrund
Vor der Eingliederung in den indonesischen Staat wurde Westpapua seit Ende der 50er Jahre unter der niederländischen Kolonialherrschaft auf die Unabhängigkeit vorbereitet. Die Kolonie sollte 1970 endgültig ein eigenständiger Staat werden. Dazu wurde 1961 der Neuguinearat als Übergangsregierung der Papua gewählt und von den Niederlanden eingesetzt. Ein unabhängiger Staat war erklärtes Ziel der Papua und der Niederländer.
Mit der Erklärung der bevorstehenden Unabhängigkeit im Jahr 1961 hatten die Papua den Zorn des indonesischen Staatspräsidenten Sukarno herausgefordert. Sukarno hatte den Anspruch auf „Irian“, wie er Westpapua nannte, nie aufgegeben. Knapp drei Wochen nach der Staatsbildung hielt er eine Rede, in der er ankündigte, „Irian“ von der Kolonialherrschaft der Niederlande zu befreien. Nach mehreren militärischen Feldzügen gegen die Niederländer wurde Westpapua unter dem Druck John F. Kennedys und unter Mithilfe der UNO an Indonesien übergeben, ohne dass eine Papua Delegation in die diplomatischen Verhandlungen einbezogen wurde. Am 15. August 1962 kam es zum so genannten ‚New York Agreement‘, welches ein freies Referendum im Jahr 1969 vorsah: Die Menschen in Westpapua sollten in einem freien Referendum unter UN-Aufsicht entscheiden ob sie Teil Indonesiens bleiben, oder in einem eigenen Staat leben wollten.
Sukarno und sein Nachfolger Suharto hatten bis 1969 ihre Militärdiktatur in Westpapua fest etabliert. Führende Papua flohen, wurden aus ihren Ämtern entfernt oder ermordet. Die Landung indonesischer Truppen war in den vorangehenden Jahren fortgeschritten und Indonesien hatte erkannt, dass wertvolle Bodenschätze in Westpapua zu finden waren. Das Referendum wurde manipuliert: Anstelle einer öffentlichen Wahl legte die indonesische Regierung Wahlmänner fest, die unter Einschüchterung und Bestechung für die Eingliederung Westpapuas in den indonesischen Staat stimmen mussten. Obwohl Mitglieder der verantwortlichen UNO Delegation die Manipulation des Referendums in ihren Berichten erwähnten, wurde das Ergebnis des Referendums nie angefochten.