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Sitzungen der Volksversammlung Papuas zu der Sonderautonomie – Absagen wegen Einschüchterung und Einschränkungen

Im Jahr 2001 verabschiedete die indonesische Regierung das Gesetz Nr. 21/2001 über die Sonderautonomie für die Provinz Papua. Die Regierung bewilligte auch spezielle Autonomiefonds für einen Zeitraum von 20 Jahren. Da sich der Finanzierungszeitraum dem Ende zuneigt, hat die Papuanische Volksversammlung (MRP) eine Reihe von Konsultationsanhörungen eingeleitet (Bhs Indonesia: Rapat Dengar Pendapat oder RDP, was mit „Treffen, um Meinungen zu hören“ übersetzt werden kann), um die Bestrebungen des papuanischen Volkes hinsichtlich einer möglichen Verlängerung der Finanzierung der Sonderautonomie für die Provinzen Papua und Papua Barat zu bestimmen. Artikel 77 des Gesetzes Nr. 21/2001 bildet die rechtliche Grundlage für „alle Vorschläge zur Änderung des Gesetzes“ und beauftragt die MRP mit der Durchführung von RDP-Anhörungen in ganz Westpapua.

Die Treffen sollten in allen fünf üblichen Gebieten Westpapuas zwischen dem 17. und 18. November 2020 stattfinden. Die Sitzungen wurden schließlich abgesagt, weil MRP-Mitglieder in mehreren Städten Einschüchterungen und Behinderungen durch zivile Gruppen ausgesetzt waren. Menschenrechtsverteidiger wurden Zeuge, dass die Strafverfolgungsbehörden die Behinderungen und den möglichen Ausbruch horizontaler Gewalt zwischen regierungs- und unabhängigkeitsbefürwortenden Gruppen vernachlässigten. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die Gruppen, die die RDP-Anhörungen behinderten – unter ihnen zivile Milizen – von Sicherheitskräften und Vertretern der lokalen Regierung unterstützt wurden.

Ein durchgesickertes vertrauliches Schreiben des Staatsgeheimdienstes vom 29. Oktober 2020 bekräftigt diesen Verdacht. Der Brief empfiehlt dem Geheimdienst die RDP-Anhörungen zu überwachen, regierungsfreundliche Gruppen zu konsolidieren und sie zu ermutigen, öffentliche Präsenz als Gegeninitiative zum Unabhängigkeitsaktivismus zu zeigen. Der Brief schlägt auch vor, dass die Polizei von Papua (Polda Papua) Massenversammlungen von Pro-Unabhängigkeitsgruppen auflöst oder verhindert und ihre Teilnahme an den RDP-Treffen behindert. Kurz vor der Durchführung der RDP-Anhörungen erließ der Polizeichef von Papua, Paulus Waterpauw, ein Dekret über die RDP, in dem Polizeibeamte aufgefordert werden, das Gesetz durchzusetzen, wenn Teilnehmer „Verrat begehen oder zu solchen Handlungen anstiften“.

Die MRP-Delegationen in Wamena und Merauke sagten die RDP-Anhörungen ab, weil sie mögliche Ausbrüche horizontaler Gewalt zwischen regierungs- und unabhängigkeitsbefürwortenden Gruppen befürchteten.

Behinderung des MRP-Teams in Wamena
Zweiundsechzig Mitglieder des MRP-Teams für die Durchführung der RDP-Konsultationssitzung im Gebiet von Lapago (Lapago als Gebiet für eine Adat Region umfasst das östliche Gebiet des zentralen Berglandes von der PNG-Grenze bis einschließlich des West-Dani (Lani) Gebietes) wurden Berichten zufolge am 15. November 2020 auf dem Flughafen in Wamena, Landkreis Jayawijaya, eingeschüchtert und behindert. Die MRP-Delegation traf gegen 9.30 Uhr am Flughafen ein, konnte aber das Flughafengebäude nicht verlassen, weil Mitglieder der LMA (Lembaga Musyawarah Adat) und der zivilen Miliz Rot-Weiß-Front (Barisan Merah Putih oder BMP) das Eingangstor blockierten. Sie forderten die MRP-Delegation auf, die RDP-Anhörung abzusagen. Die Situation wurde Berichten zufolge von Angehörigen des Militärs und der Polizei beobachtet.

Daraufhin rief die MRP-Delegation den Landrat von Jayawijaya, Jhon Banua, sowie Vertreter des Militärs an. Keiner von ihnen antwortete jedoch auf die Anrufe. Nach den erhaltenen Informationen kam der Polizeichef von Jayawijaya, Dominggus Rumaropen, zum Flughafen und sprach mit der Delegation. Die MRP-Vertreter baten den Polizeichef, die Situation zu sichern, damit die Delegation den Flughafen verlassen und die RDP-Anhörung vorbereiten könne. Anstatt der MRP-Delegation Schutz zu gewähren, bat der Polizeichef Rumaropen die Delegation um eine Namensliste und verließ anschließend den Flughafen. Kurz darauf trafen vier Militärlastwagen und fünf Polizeilastwagen auf dem Flughafen ein, ohne jedoch Maßnahmen zum Schutz der Delegation oder zur Deeskalation der Situation zu ergreifen.

Menschenrechtsverteidiger kritisierten das fahrlässige Verhalten der örtlichen Polizei und des Militärs, die in dieser Angelegenheit keine neutrale Position bezogen. Aktivisten, die die Situation beobachteten, sahen LMA- und BMP-Mitglieder mit Angehörigen der Sicherheitskräfte vor dem Flughafen sprechen (siehe Foto). Sie vermuten, dass die LMA und die BMP vom staatlichen Geheimdienst unterstützt wurden, um die Durchführung IMG-20201115-WA0003der RDP-Treffen zu behindern.

Da die MRP-Delegation über eine Eskalation der Situation und den Ausbruch horizontaler Gewalt zwischen Unabhängigkeits- und Regierungsbefürwortergruppen besorgt war, charterte sie ein Flugzeug und flog zurück nach Jayapura. Sie verließen Wamena gegen 17.00 Uhr.

Mitglieder des örtlichen traditionellen Rates hielten am 17. November 2020 eine RDP-Sitzung für das traditionelle Gebiet von Lapago im Dorf Kama im Wesaput-Distrikt des Landkreises Jayawijaya ab (siehe Foto oben). Nach Informationen der Foundation for Justice and the Integrity of the Papuan People (YKKMP) erklärten religiöse Persönlichkeiten, traditionelle Führer sowie Vertreter von Frauen- und Studentengruppen, dass die besondere Autonomie den indigenen Papuas im Gebiet Lapago nicht zu Wohlstand und einem menschenwürdigen Leben verholfen habe. Die Vertreter lehnten eine Verlängerung des besonderen Autonomiestatus ab und forderten stattdessen die Durchführung eines Referendums über die politische Unabhängigkeit. Das Treffen wurde von Mitgliedern der gemeinsamen Sicherheitskräfte streng bewacht.

MRP-Delegation in Merauke willkürlich verhaftet
Die MRP-Delegation für das Gebiet Anim Ha (Anim Ha als Gebiet für eine Adat Region umfasst das Gebiet östlich des Meepago Gebiets und südlich des Lapago Gebiets bis zu der PNG-Grenze) beschloss, die Sitzung in letzter Minute abzusagen, nachdem rund 100 LMA-Mitglieder am 16. November 2020 einen Protest gegen die Umsetzung der RDPs gestartet hatten. Die Protestierenden forderten auch die Verlängerung der besonderen Autonomiefonds und argumentierten, dass viele indigene Papuas von den besonderen Autonomiefonds profitieren würden.

Am 17. November 2020 verhafteten örtliche Polizeibeamte willkürlich 55 Personen, darunter MRP-Mitglieder, Personen aus dem Ressourcenbereich und Vertreter der Zivilgesellschaft, die in die Stadt Merauke gekommen waren, um an der RDP-Tagung teilzunehmen. Die Beamten durchsuchten Hotels und beschlagnahmten Dokumente, Transparente und anderes Material. Die Verhaftungen fanden an mehreren Orten in Merauke statt, nachdem das Organisationskomitee die örtliche Polizei, das Militär und die örtlichen Regierungsbehörden über die Veranstaltung informiert hatte.

Alle Verhafteten wurden in das Polizeipräsidium des Bezirks Merauke gebracht und dort festgehalten. Mindestens vier Festgenommene, darunter das MRP-Mitglied Amatus Ndapits und der katholische Menschenrechtsverteidiger Wensislaus Fatubun, wurden nach der Festnahme in Handschellen abgeführt (siehe Foto). Nach Angaben der Festgenommenen haben die Polizeibeamten es versäumt, während der Haft für Nahrung und Wasser zu sorgen. Darüber hinaus wurden die Gefangenen gezwungen, nebeneinander im Flur der Polizeiwache zu schlafen, ohne sich an die Gesundheitsvorkehrungen gemäß dem geltenden Gesundheitsprotokoll von Covid-19 zu halten.Handcuffed MRP member Yones

Die Verhafteten wurden am 18. November gegen 19.30 Uhr freigelassen, aber die Polizisten behielten alle beschlagnahmten persönlichen Gegenstände zur weiteren Untersuchung als mögliches Beweismittel. Die Gruppe wurde am 19. November 2020 zu einem weiteren Verhör vorgeladen.

Der Chef der Bezirkspolizei von Merauke, AKBP Untung Sangaji, erklärte in einem Interview mit dem Medienunternehmen Jubi, dass die Verhaftungen durchgeführt wurden, weil die Polizei Informationen erhalten hatte, dass das RDP-Treffen dazu genutzt wurde, ein Unabhängigkeitsreferendum zu erörtern.

 

RDP-Konsultation in Meepago abgesagt
Das MRP hatte ursprünglich geplant, am 17. November 2020 eine RDP-Anhörung für das traditionelle Gebiet von Meepago (das westliche zentrale Hochland) abzuhalten. Obwohl das Treffen aufgrund eines Erlasses der Polizei Papua abgesagt wurde, versammelten sich Tausende von indigenen Papuas aus Meepago in der Stadt Moanemani, Landkreis Dogiyai, um ihre Ansichten über den Erfolg und Misserfolg der papuanischen Sonderautonomie zu äußern.

Verschiedene Vertreter der Zivilgesellschaft erklärten einstimmig, die Sonderautonomie sei gescheitert. Die inkonsistente Umsetzung der meisten Artikel des Gesetzes Nr. 21/2001, wie die Bildung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen (KKR) und die Einrichtung eines Menschenrechtsgerichts in Westpapua, waren ein Indiz für das Scheitern der Sonderautonomie in den letzten zwanzig Jahren. Weitere Anzeichen waren die anhaltende Ausbeutung der natürlichen Ressourcen unter Ausschluss von indigenen Landbesitzern und lokalen Regierungsstellen, der weit verbreitete illegale Holzeinschlag, Menschenrechtsverletzungen und die sich verschärfenden bewaffneten Konflikte in den Landkreisen Intan Jaya und Nduga. Die Vertreter der Zivilgesellschaft in Meepago forderten die indonesische Regierung auch auf, die Durchführung eines Referendums über den politischen Status von Westpapua zuzulassen.

Polizei-Erlass über RDP
Die Polizei von Papua reagierte sofort auf den Plan der MRP, am 17. und 18. November 2020 RDP-Anhörungen abzuhalten. Am 14. November 2020 erließ der Polizeichef von Papua, Paulus Waterpauw, den Polizeierlass Nr. Mak/I/2020 über die geplante Durchführung von RDPs während der COVID-19-Pandemie.

Der Erlass besteht aus vier Hauptpunkten. Während sich Punkt eins und zwei hauptsächlich auf die Verhütung horizontaler Konflikte und die Einhaltung des anwendbaren Gesundheitsprotokolls konzentrieren, werden in Punkt drei und vier alle Polizeibeamten nachdrücklich aufgefordert, einzuschreiten, wenn Teilnehmer „Hochverrat“ oder andere Straftaten begehen oder zu solchen anstiften.

Mehrere papuanische Provinzparlamentarier kritisierten den Erlass in Interviews. Der papuanische Abgeordnete Laurenzus Kadepa betrachtete den Erlass unter dem Deckmantel der Covid-19-Präventionsmaßnahmen als diskriminierend gegenüber den indigenen Papuas. Kadepa erklärte, dass die Gemeindepolizei in Jakarta kein Anordnung erlassen habe, als der radikale islamische Führer Muhammad Rizieq Shihab nach drei Jahren Exil in Saudi-Arabien am Flughafen von Jakarta eintraf und am 10. November 2020 von Hunderten von Unterstützern der Islamic Defenders Front empfangen wurde. Amos Edowai, ein weiterer papuanischer Parlamentsabgeordneter, erklärte, dass keine Partei das Recht habe, die RDP-Anhörungen zu verhindern oder zu verbieten, da die MRP ihre Pflicht gemäß Artikel 77 des Sonderautonomiegesetzes erfülle.