Am 9. November 2022 wurde die Situation der Menschenrechte in Indonesien im Rahmen des Universal Periodic Review-Verfahrens (UPR) des UN-Menschenrechtsrates überprüft.
Was ist das UPR-Verfahren?
In dem UPR-Verfahren wird ca. alle vier-fünf Jahre die Menschenrechtssituation in jedem UN-Mitgliedstaat überprüft. Hier kommt es vor allem darauf an zu untersuchen, ob der Staat die notwendigen Schritte unternimmt, um Menschenrechte nicht nur auf dem Papier zu fördern sondern diese auch im Alltag tatsächlich für alle zu schützen.
Neben einem Bericht des Staates selbst gibt es auch zusammenfassende Infos der UN über die Menschenrechtslage. Auch die Zivilgesellschaft hat die Gelegenheit, vorab Berichte zu der Menschenrechtssituation im jeweiligen Staat einzureichen. Die anderen UN-Mitgliedstaaten können Fragen stellen und Empfehlungen abgeben, um den Schutz der Menschenrechte umzusetzen. Durch Annahme dieser Empfehlungen verpflichten sich die betroffenen Regierungen dazu, die angesprochenen Punkte zu verbessern und den Schutz der Menschenrechte umfangreicher umzusetzen. An diesen Zusagen werden sie dann zukünftig gemessen.
Menschenrechte in Indonesien
In seinem nationalen Bericht für das diesjährige UPR-Verfahren hob Indonesien seine Erfolge beim Schutz der Menschenrechte inmitten der COVID-19-Pandemie, bei der Verabschiedung menschenrechtsfreundlicher Gesetze und bei der Unterstützung von Minderheitengruppen hervor. Andere UN-Mitgliedstaaten äußerten sich hingegen zu einer Vielzahl menschenrechtlicher Defizite in Indonesien. Insgesamt gaben 107 Staaten 291 Empfehlungen ab.
Die Staaten empfahlen unter anderem, internationale Menschenrechtsverträge und/oder ihre Zusatzprotokolle zu ratifizieren, Strafrechtsbestimmungen zu überarbeiten, die Todesstrafe abzuschaffen, den Rechtszugang für alle zu gewährleisten, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu stärken, LGBTIQ+ Rechte zu stärken, Menschenrechtsverletzungen umfassend und zeitnah zu untersuchen, Menschenrechtsverteidiger*innen nicht zu verfolgen und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für alle im Land zu garantieren.
Die Situation in Westpapua
Insgesamt acht Staaten (Marshallinseln, Niederlande, Vanuatu, Kanada, USA, Neuseeland, Slowenien und Australien) gaben auch explizite Empfehlungen zu der Situation in Westpapua ab. In ihren Empfehlungen wurde vermehrt der Besuch des OHCHR in Westpapua thematisiert, ein inklusiver Dialog mit den Papuas gefordert, die Verantwortung zum Schutz der Versammlungs-, Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Rechte von Frauen und Minderheiten in Westpapua angesprochen, keine Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte und eine transparente Untersuchung dieser Verletzungen gefordert und der Zugang für unabhängige Beobachter nach Westpapua genannt.
Deutschland reichte vorab folgende an Indonesien gerichtete Frage zu Westpapua ein und stärkt damit die Empfehlungen zu diesem Thema: „In January 2019, Indonesia agreed to a visit of the United Nations High Commissioner for Human Rights to Papua in principle. What are Indonesia´s plans in facilitating a visit? When can a visit take place?”
Menschenrechtsaktivist*innen aus Indonesien kritisierten, dass Indonesien keine umfassenden Angaben zu der Menschenrechtslage in Westpapua im Rahmen des UPR-Verfahrens geteilt habe und besonders die Realität in Westpapua weiterhin noch oft eine andere sei. Das etwa neun Staaten jedoch explizit Papua in ihren Empfehlungen und Fragen erwähnt haben, sei ein Zeichen dafür, dass die internationale Gemeinschaft sich der Situation in Westpapua bewusst sei.
Infos der UN über Westpapua
Auch die UN kritisierte in ihrem OHCHR-Report die Menschenrechtssituation in Westpapua im Rahmen des UPR-Verfahrens. Die Grundlage dieses Berichts bildeten verschiedene UN-Berichte.
Eine Reihe von Sonderberichterstattern äußerte sich demnach ernsthaft besorgt über die sich „verschlechternde Menschenrechtslage in den indonesischen Provinzen Papua und Papua Barat und verwies auf schockierende Übergriffe gegen die indigene Bevölkerung Papuas, darunter die Ermordung von Kindern, das Verschwindenlassen von Menschen, Folter und die Massenvertreibung von Menschen. Sie forderten dringenden Zugang für humanitäre Hilfe in die Region und forderten die indonesische Regierung auf, vollständige und unabhängige Untersuchungen der Übergriffe auf die indigene Bevölkerung durchzuführen. Das Länderteam der Vereinten Nationen erkannte die Komplexität der Situation in Papua an, die seit Dezember 2018 angesichts der Zusammenstöße mit bewaffneten Gruppen und der laufenden Sicherheitsoperationen keine Anzeichen einer Verbesserung gezeigt hat, und forderte erneut, die Bemühungen zu verstärken, um die langwierigen und schwerwiegenden Probleme in der Region Papua anzugehen.“
„Das Länderteam der Vereinten Nationen äußerte sich besorgt über die gemeldeten Online-Überwachungen und Cyberangriffe gegen Menschenrechtsverteidiger, Studenten, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Journalisten und Medien, die während der sozialen Unruhen in Papua im Jahr 2019 in Verbindung mit der Abschaltung des Internets und der Aussetzung mobiler Datendienste in bestimmten Gebieten besonders deutlich zu Tage getreten waren. Er äußerte sich auch besorgt über die Rechte und den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, einschließlich Umweltschützern, in Papua tätigen Personen und Anwälten, die ihre Fälle verteidigen, die routinemäßigen und schwerwiegenden Schikanen, Einschüchterungen, Überwachungen, physischen Angriffen und Kriminalisierung aufgrund zweifelhafter Anklagen wegen Verbrechen gegen den Staat ausgesetzt sind.“
Laut UN-Bericht kam es weiterhin zu „erheblichen Übergriffen gegen indigene Papuas, darunter außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Folter und unmenschliche Behandlung in Polizeigewahrsam. Die zunehmende Gewalt zwischen den Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen hatte Berichten zufolge zu einer erheblichen und erzwungenen Vertreibung von Tausenden von indigenen Papuas geführt, von denen die meisten in den Wäldern verblieben, ohne dass sie rechtzeitig Zugang zu angemessener Nahrung, Gesundheitsversorgung oder Bildungseinrichtungen hatten.“
„Die Verlängerung des Gesetzes über die Sonderautonomie für Papua bis zum Jahr 2041 und die Pläne zur Schaffung neuer Provinzen in Papua, die Berichten zufolge ohne echte und sinnvolle Konsultation der papuanischen Institutionen oder Gemeinschaften erfolgten, hatten die Spannungen weiter verschärft, wie die politischen Proteste zeigten, von denen einige zu Tötungen und Massenverhaftungen von Demonstranten führten.“
„Das Länderteam der Vereinten Nationen begrüßte zwar verschiedene Schritte der Regierung zur Bekämpfung der Straflosigkeit und der Rechenschaftspflicht, darunter die Einleitung von Untersuchungen über die mutmaßliche übermäßige Gewaltanwendung durch indonesische Sicherheitskräfte in den Bezirken Nduga, Pegunungan Bintang und Intan Jaya im Zeitraum 2020-2021, stellte jedoch mit Besorgnis fest, dass die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht oder den Angehörigen mitgeteilt wurden.“
„Der Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung erklärte, dass der gemeldete Tod von 72 Kindern in Papua an vermeidbaren Krankheiten und Unterernährung ein Versäumnis der Regierung sei, ihrer Verpflichtung nachzukommen, das Recht auf Nahrung, insbesondere für Kinder und gefährdete Bevölkerungsgruppen, zu erfüllen.“
„Der Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit stellte fest, dass die Wahrscheinlichkeit, an HIV/AIDS zu erkranken, unter den ethnischen Papuas doppelt so hoch sei wie in der übrigen Bevölkerung und dass die Infektionsraten in Papua ansteige.“
Was nun?
Indonesien hat nun bis zur 52. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates Zeit, um zu den Empfehlungen Stellung zu nehmen.