Erneut kam es zu der gewaltsamen Auflösung von Protesten durch Polizei und Sicherheitskräfte in Westpapua.
Am Freitag, den 3. Juni, fanden in verschiedenen Städten Papuas, darunter Yahukimo, Paniai, Nabire und Jayapura, friedliche Demonstrationen gegen den Plan der Zentralregierung statt, die Provinzen Papua und Papua Barat in neue Provinzen aufzuteilen. Menschenrechtsaktivist*innen und indigene Papuas haben ihre Besorgnis darüber geäußert, dass die neue Provinz ein Vorwand für die Zentralregierung sein werde, mehr Truppen nach Papua zu schicken, da jede Provinz in Indonesien ihren eigenen regionalen Militär- und Polizeikommandobereiche haben muss. Insgesamt gingen am 3. Juni 2022 über 23.000 Personen in Westpapua auf die Straße und übten ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus.
Jayapura und Sentani
Der Papua-Menschenrechtsaktivist Younes Douw sagte, dass eine große Anzahl von Student*innen und indigenen Papuas bei der Aktion am Freitag, den 3. Juni, auf die Straße gingen und schätzte die Zahl der Teilnehmer auf etwa 2.650. „Rund 650 Student*innen sind heute auf die Straße gegangen. Hinzu kommen rund 2.000 Menschen aus der Papua-Gemeinschaft“, sagte Douw gegenüber CNN Indonesia. Fast jeder einzelne Versammlungsort sei jedoch von der Polizei blockiert worden.
Nach Angaben des indonesischen Medienmagazins „Antara“ hatte die Polizei im Vorfeld der Proteste 2 000 Sicherheitskräfte mobilisiert. Sie überwachten seit 7.00 Uhr morgens alle Treffpunkte in Sentani und Jayapura und drängten die Demonstranten zurück. Viele Demonstranten zogen sich auf Privatgrundstücke wie Wohnheime, den Universitätscampus und die theologische Hochschule Walter Pos in Sentani zurück, um Verhaftungen und eine weitere Eskalation zu vermeiden.
Einen Tag vor dem Protest kündigte der Polizeichef von Jayapura, Victor D. Mackbon, an, dass seine Männer nur einer kleineren Gruppe von Demonstranten die Möglichkeit geben würden, sich mit Parlamentsmitgliedern zu treffen, dass sie aber die Menge sofort auseinander treiben würden, wenn alle Demonstranten zum Provinzparlament in Jayapura gehen wollten. Die PRP (Papuan People’s Petition) hatte bei der Polizei einen langen Marsch von Sentani zum Parlamentsgebäude in Jayapura angemeldet, wie dies nach indonesischem Recht vorgeschrieben ist. Laut einigen Aussagen der Polizei, soll eine Genehmigung jedoch nicht vorgelegen haben, so dass die Demonstrationen als illegal angesehen wurden.
Nach Angaben lokaler Menschenrechtsaktivist*innen wurden mindestens elf Demonstranten in Jayapura verletzt, nachdem die Polizei eine Demonstration im Dorf Waena gewaltsam aufgelöst hatte, darunter zwei Studenten, die angeblich durch Schläge mit Rattanstöcken durch die Polizei bluteten. Die Polizei in Jayapura gab an „maßvoll“ gehandelt zu haben und bezeichnete gegenteilige Berichte, Fotos und Videoaufnahmen als Falschmeldung.
Sorong
Auch in Sorong kam es zu Protesten gegen die Provinzaufteilung. Auch hier wurden mehrere Personen durch die gewaltsame Auflösung der Proteste durch Sicherheitskräfte verletzt. An der Demonstration in Sorong nahmen etwa 250 Personen teil, die von der Polizei gewaltsam auseinandergetrieben wurden. Gegen 14.30 Uhr versammelten sich die Demonstranten vor dem Kommunalparlament, wo sie Reden hielten und vergeblich ein Treffen mit dem Vorsitzenden des Kommunalparlaments forderten. Um 15.15 Uhr spitzte sich die Lage zu, nachdem der Vorsitzende sich nicht mit der Menge getroffen hatte. Einige Demonstranten zündeten verärgert Autoreifen an.
Daraufhin schossen Polizeibeamte Tränengasgranaten und Gummigeschosse aus nächster Nähe in die Menge. Mindestens zehn Demonstranten erlitten Verletzungen infolge der übermäßigen Gewaltanwendung.
Wamena, Nabira, Merauke, Dekai
Der Protest in Wamena, Jayawijaya Regency, war die größte aller Demonstrationen, die am 3. Juni 2022 stattfanden. Nach Angaben des Referats für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (JPIC) der Papuanischen Tabernakelkirche (Kingmi Papua) nahmen etwa 15.000 Menschen an den Protesten teil. Die große Mehrheit von ihnen waren indigene Papuas. Die Demonstranten zogen zum Jayawijaya Kommunalparlament in Wamena, wo sich die Menge versammelte und den örtlichen Gesetzgebern friedlich ihre Anliegen vortrug. Die Demonstranten zerbrachen einen Fahnenmast mit der indonesischen Flagge vor dem Parlamentsgebäude, aber die Demonstration blieb friedlich. Polizeibeamte überwachten den Protest genau, lösten die Menge aber weder auf noch nahmen sie Teilnehmer fest. Die Polizei untersucht weiterhin die Zerstörung des Fahnenmastes.
Etwa sechzig PRP-Anhänger mit Transparenten versammelten sich um 6.00 Uhr morgens im Oyehe Gizi Park in Nabire und hielten friedliche Reden. Vierzig Minuten später kamen Dutzende von Polizeibeamten in den Park und forderten die Demonstranten auf, ihn zu verlassen, mit der Begründung, dass andere Gruppen den Park für eine Versammlung benötigen würden. Um 7.15 Uhr drängten voll ausgerüstete Polizeikräfte die Demonstranten zurück zum Busbahnhof von Oyehe. Die Beamten fingen Berichten zufolge Personen ab, die die Aktion zur Kontrolle der Menschenmenge mit ihren Mobiltelefonen aufnahmen, und zwangen sie, die Aufnahmen zu löschen. Die Polizeibeamten nahmen 23 Demonstranten fest und zwangen sie gegen 8.00 Uhr morgens in einen Polizeiwagen. Sie wurden auf dem Polizeirevier des Bezirks Nabire festgehalten und verhört. Die festgenommenen Demonstranten sagten aus, dass der Bezirkspolizeichef damit drohte, sie an einen anderen Ort weit weg von Nabire zu bringen. Alle 23 Demonstranten wurden um 17.00 Uhr freigelassen.
Gleichzeitig fand im Stadtbezirk Kalibobo eine friedliche Demonstration statt. Die Demonstranten, hauptsächlich Studenten, suchten Schutz im Intan Jaya Dormitory, als sich mehr als hundert Polizeibeamte der Demonstration näherten. Die Polizisten versuchten Berichten zufolge, eines der Eingangstore zu öffnen und mit Gewalt in das Wohnheim einzudringen. Es gelang den Demonstranten jedoch, die Situation zu deeskalieren. Keiner der Demonstranten in Kalibobo wurde verhaftet.
Dutzende von PRP-Sympathisanten, papuanischen Studenten und Aktivisten, die mit dem Nationalen Komitee Westpapuas (KNPB) verbunden sind, versammelten sich morgens in Merauke, um gegen die Schaffung neuer Provinzen zu demonstrieren. Anschließend durchsuchten Polizeikräfte die Häuser von KNPB-Aktivisten und nahmen dreizehn Personen fest, von denen die meisten der KNPB angehörten. Sie beschlagnahmten Gartengeräte und traditionelle Waffen.
Etwa 50 PRP- und KNPB-Anhänger führten eine stille Protestaktion in Yahukimos größter Stadt Dekai durch. Sie trugen Transparente mit der Aufschrift „Widerstand“ (lawan). Gegen 8.00 Uhr morgens lasen die Aktivisten eine Erklärung vor. Polizeibeamte in Zivil beobachteten die Demonstration genau, griffen aber nicht in den Protest ein. Berichten zufolge verstärkte die Polizei als Reaktion auf die Demonstration ihre Präsenz in verschiedenen Teilen Dekais.
Amnesty International äußerte sich öffentlich zu den neusten Einschränkungen bürgerlicher und politischer Rechte in Westpapua. „Indigene Papuas haben das Recht, friedlich gegen die Politik der Regierung zu protestieren, ohne Angst haben zu müssen, verhaftet zu werden oder Gewalt zu erleiden“, sagte der Exekutivdirektor von Amnesty International Indonesien, Usman Hamid. „Diese wiederholten Vorfälle zeigen, dass der Staat die Stimme der indigenen Papuas nicht respektiert.“