You are currently viewing „Wir werden nicht beteiligt“
Für den Präsidenten kann oftmals nur in den großen Städten in Westpapua abgestimmt werden (Foto: A. Abdul)

„Wir werden nicht beteiligt“

Interview mit papuanischen Vertretern aus Politik und Kirche zu der Wahl 2024

Am heutigen 14. Februar finden landesweite Wahlen in Indonesien statt. Das Westpapua-Netzwerk hat dazu mit papuanischen Vertretern aus Politik und Kirche über diese Wahl und ihre Erwartungen gesprochen.

WPN: Wie gestalten sich die Vorbereitungen in Westpapua auf die Wahl?

Interviewpartner A: In den Dörfern Westpapuas, außerhalb der urbanen Zentren, wird nicht für die Präsidentschaftswahl abgestimmt werden. Die Präsidentschaftswahl konzentriert sich nur auf eine kleine Elite in Westpapua, vorrangig auf die, die in den Städten leben. In den Dörfern hingegen liegt der Fokus auf der Wahl der Abgeordneten für die Provinzparlamente. In den Dörfern selber können die Stimmen auf zwei Arten gezählt werden: entweder zählt jede einzelne Stimme für sich, gemäß den demokratischen Wahlprinzipien oder das Dorf einigt sich auf einen Kandidaten bzw. Partei und gibt eine gemeinsame Stimme stellvertretend für alle Dorfbewohner ab.

WPN: Wie kommt es, dass in den Dörfern nicht für die Präsidentschaftswahl abgestimmt wird?

Interviewpartner A.: Die große geografische Distanz zwischen Jakarta und Westpapua schafft auch eine Distanz in den Köpfen der Papuas in Bezug auf die Präsidentschaftswahl. So werden die Dörfer nicht einmal mit den Wahlboxen ausgestattet, in denen die Stimmen für die Präsidentschaftswahl gesammelt werden. In den Städten Westpapuas hingegen wird auch für die Präsidentschaftswahl abgestimmt.

Bereits in der Vergangenheit kam jeder gewählte Präsident aus Java – und dies wird auch in Zukunft so sein.

Das bedeutet, dass wir in Westpapua stets nur die Wahl zwischen einem guten und einem schlechten Kandidaten aus Java haben werden, aber es wird dennoch immer ein Präsident aus Java.

Der derzeitige Präsident – auch aus Java – Joko Widodo hat Westpapua zwar insgesamt bisher siebzehnmal besucht. Aber seinen Worten auch Taten folgen lassen, tut er nicht. Die Probleme in Westpapua bleiben bestehen.

WPN: Welche Auswirkungen wird die zukünftige Politik auf das Leben der Papuas haben?

Interviewpartner A: Die Aufteilung der Provinzen von zwei auf sechs Provinzen in Westpapua hat bereits mehr Migranten nach Westpapua gebracht. Dies wird sich noch weiter verstärken. Sollte es also irgendwann einmal tatsächlich zu einer Wiederholung des Referendums von 1969 kommen, wird das Ergebnis durch die vielen Stimmen der Migranten zuungunsten Westpapuas ausfallen. Hinzu kommt, dass sich die Art des Konflikts verschieben wird. So werden wir Papuas zukünftig weniger in sichtbaren bewaffneten Auseinandersetzungen umgebracht werden, da diese zu große internationale Aufmerksamkeit nach sich ziehen, sondern es wird heimlich geschehen. Papuas werden beispielsweise in Krankenhäusern unerklärlich versterben, in Hinterhalten erstochen, vergiftet oder zu plötzlichen Unfallopfern werden. Bereits aktuell häufen sich diese Berichte der unerklärlichen und plötzlichen Todesfälle von Papuas.

WPN: Auf Jokowi lagen bei seiner Wahl 2014 viele Hoffnungen – auch für Westpapua. Diese wurden jedoch nicht erfüllt. Haben die Papuas daher überhaupt noch Hoffnungen in die Politik und darauf, dass der neue Präsident doch einen Dialog in Westpapua anstoßen wird?

Interviewpartner A.: Die Papuas werden gar nicht als potentielle Wähler gesehen, die auch eine Stimme für die Präsidentschaftswahl haben. Wir werden nicht beteiligt. Dies scheitert schon an den fehlenden Wahlboxen in den Dörfern oder an den mangelnden Informationen über die jeweiligen politischen Programme der Kandidaten. Dies ist gar nicht als ein frei gewählter Akt des Widerstands der Papuas zu deuten. Sondern vielmehr als eine Ausgrenzung ihrer Stimme – sie bekommen erst gar nicht die Wahl.

Die Erwartungen an den Ausgang der Wahl und deren Bedeutung für Westpapua sind also sehr gering. Denn wer auch immer es sein wird – ob ein guter oder ein schlechter Kandidat – da sie alle aus Java kommen und ihr ganzes politisches Denken um Java kreist, wird es für Westpapua keine politische Lösung geben.

WPN: Indonesien wird zukünftig wirtschaftlich und politisch – auch in der Rolle als Partner gegen China – eine immer größere Rolle spielen. Gleichzeitig halten der bewaffnete Konflikt und die Menschenrechtsverletzungen durch indonesische Sicherheitskräfte in Westpapua weiter an. Was ist die Botschaft der Papuas an die deutsche Bundesregierung?

Interviewpartner B: Für die Papuas ist es wichtig, dass sich internationale Akteure dreier Dinge bewusst sind. Erstens: die Richtigstellung über das Referendum von 1969 und die damit verbundene Geschichte Westpapuas, an der auch unterschiedliche internationale Akteure beteiligt waren. Zweitens: Aufmerksamkeit für die Menschenrechtsverletzungen  in Westpapua. Drittens sollten sich alle darüber bewusst sein, dass die von der indonesischen Regierung verfolgte militärische Strategie in Westpapua nicht zu einer Lösung des Konflikts führen wird.


Das Interview ist unserem Westpapua Journal 2/2023 erschienen und wurde für die Veröffentlichung auf unserer Homepage leicht angepasst.


Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.