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Ambrosius Mulait und Dano Tabuni (rechts im Bild) vor Gericht in Jakarta (Foto: Tabloid JUBI)

Gerichtsprozesse nach Anti-Rassismus Demos

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Prozesse im Zusammenhang mit den papuaweiten Anti-Rassismus-Protesten zwischen Ende August und Ende September 2019 sowie die anschließende Welle der Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern und politischen Aktivisten. Außerdem berichten wir über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit den Anti-Rassismus-Unruhen zwischen Mitte Dezember 2019 und dem 22. Januar 2020.

Laut dem Generalsekretär des Nationalen Rates indonesischer Anwälte, Sugeng Teguh Santoso, wird deutlich, dass die polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit den Unruhen in Jayapura vom 29. Januar äußerst chaotisch waren. Santoso erklärte, dass die Ermittler Folter einsetzten, um Geständnisse von Verdächtigen zu erzwingen und gefälschte Beweise verwendeten, die mit den Polizeiberichten (Berita Acara Pemeriksaan, BAP) übereinstimmten, um die Anforderungen für ihre Vorlage bei der Staatsanwaltschaft zu erfüllen. Sugeng Teguh Santoso gehört auch zu dem Team von Anwälten, die papuanische Angeklagte bei mehreren Verhandlungen vor Gericht vertreten.

Im Zusammenhang mit den Anti-Rassismus-Unruhen in Jayapura vom 29. August 2019 finden gleichzeitig mehrere Prozesse statt:

Die Staatsanwaltschaft forderte für den Angeklagten Wilem Walilo eine Haftstrafe von zwölf Monaten. Herr Walilo wurde am 30. August 2019 bei einer Polizeikontrolle im Besitz einer Machete verhaftet. Er war auf dem Weg zu seinem Schweinestall und brauchte das Messer, um Futter für seine Tiere zuzubereiten. Die Polizei erhob Anklage wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Artikel 2 Absatz 1 des Notstandsgesetzes Nr. 12/ 1951, obwohl Artikel 2 Absatz 2 desselben Gesetzes besagt, dass scharfe Waffen für den Einsatz in der Tierhaltung oder bei der Gartenarbeit von der Strafverfolgung ausgeschlossen sind.

In einem getrennten Prozess forderte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von 12 Monaten für die Angeklagten Yosam Wenda und Yoda Tabuni. Beide Angeklagten werden beschuldigt, am 29. August 2019 einen Computer und eine Tastatur aus dem Büro des Gouverneurs gestohlen zu haben.

Auch gegen Dolfinus Hisage, einen Protestler, der während der Demonstration vom 29. August 2019 verhaftet wurde, wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Dolfinus Hisage wurde nach Artikel 160 KUHP wegen Verhetzung bei mehreren Reden vor dem Campus der Universität Cenderawasih angeklagt. Die gerichtliche Untersuchung eines Polizeibeamten als Zeuge ergab, dass Hisage lediglich einmal öffentlich gesprochen hätte und deshalb verhaftet wurde. Der Beamte bestätigte, dass Dolfinus Hisage während des Aufstandes keine Formen von Gewalt oder Straftaten begangen hatte.

Ende 2019 wurden zwei getrennte Prozesse im Zusammenhang mit der Ermordung des einheimischen Papuas Evertin Mofu eingeleitet. Mofu wurde am 30. August 2019 von einer Gruppe von Migranten bei Zusammenstößen zwischen indigenen Papuas und Migranten in Jayapura getötet. Ende Dezember 2019 wurden zwei weitere Angeklagte – beide noch minderjährig – wegen der Beteiligung an der Tötung von Evertin Mofu zu 11 Monaten Haft verurteilt. Zwei weitere Angeklagte namens Nasrul und Irwan wurden gemäß Artikel 338 KUHP wegen Tötungsdelikten oder Artikel 170 (2) wegen Beteiligung an Massenausschreitungen mit tödlichen Folgen mit einer Höchststrafe von 15 bzw. 12 Jahren angeklagt. Am 7. Januar 2020 sagten zwei Zeugen vor dem Bezirksgericht von Jayapura über den Vorfall aus. Beide Zeugen waren jedoch nicht in der Lage, die Täter der Massenausschreitung eindeutig zu identifizieren.

Die Prozesse gegen Yoda Tabuni, Ferius Entamon, Agustinus Izak Mohi, Elo Huby, Ari Asso, Ruvinus Tambonop, Ronal Wandik, Yusuf Marthen Muai, Johny Weya, Persiapan Kogoya, Mika Asso, Dorti Kawena, Pandra Wenda und Yali Loho wurden vor dem Bezirksgericht von Jayapura fortgesetzt. Den 14 Angeklagten wird die Beteiligung an Vandalismusakten während der Gewaltausbrüche am 29. August 2019 vorgeworfen, wie in Artikel 170 KUHP über die Beteiligung an kollektiver Gewalt gegen Personen oder Gegenstände geregelt. Die Richter befragten zwei Polizeibeamte als Zeugen zu den Foltervorwürfen während der Polizeihaft. Beide Polizeibeamten leugneten die Vorwürfe und erklärten, dass sie und ihre Kollegen bei den Untersuchungen keine physische Gewalt oder Einschüchterung gegen die Verdächtigen angewendet hätten. Ein weiterer Zeuge namens Oktovianus Hisage sagte aus, dass er und drei Angeklagte während der Haft von Polizeibeamten geschlagen worden waren. Hisage wurde verhaftet, weil er einen Computer aus dem Gouverneursbüro gestohlen haben soll. Er wurde anschließend zusammen mit weiteren Angeklagten (Pandra Wenda, Mika Asso und Yoda Tabuni), die Berichten zufolge auch gefoltert worden waren, inhaftiert.

Am 20. Januar 2020 luden die Anwälte der Angeklagten zwei Sachverständige als Zeugen vor Gericht ein: den Strafrechtsexperten Dr. Yohanes Budiman Bakti sowie den Kirchenleiter und Sozialanthropologen Dr. Benny Giay. Dr. Yohanes Budiman Bakti erklärte, dass der Artikel 170 KUHP nur angewendet werden darf, wenn eine Straftat im Rahmen einer Verschwörung oder eines gemeinsamen Plans durchgeführt wird. Im Rahmen der Gerichtsverhandlungen müsse der Staatsanwalt beweisen, dass die Angeklagten einander kannten und den Vandalismus im Voraus geplant hatten. Er betonte auch, dass der Polizeibericht nicht als Beweismittel in den Gerichtsverhandlungen verwendet werden darf.

Im Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen papuanischen Studenten und Sicherheitskräften am 23. September 2019 in Waena finden vier Prozesse statt. Alle 12 Angeklagten stehen derzeit vor dem Bezirksgericht von Jayapura vor Gericht. In dem Zwischenurteil lehnten die Richter den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklage ab. Ab dem 22. Januar 2020 wurden mehrere Zeugen vor Gericht vernommen.

Erster Prozess gegen die Angeklagten Yogi Wenda, Jimi Kogoya, Eminus Bayage und Maya Nirigi (Anklage: Artikel 170 (2) KUHP über kollektive Gewalt gegen Personen oder Gegenstände, Artikel 140 (2) KUHP über Hochverrat und Artikel 214 & 218 KUHP über die Begehung von Gewalt gegen Polizisten im Dienst)

Zweiter Prozess gegen die Angeklagten Bedira Tabuni, Alpon Meku, Pailes Yigibalon, Biko Tabuni und Tenak Waker (Anklage: Artikel 170 (2) KUHP KUHP über kollektive Gewalt gegen Personen oder Gegenstände, 140 (2) KUHP über Verrat und Artikel 214 & 218 KUHP über Gewalt gegen die Polizei im Dienst)

Dritter Prozess gegen den Angeklagten Abraham Dote (Anklage: Artikel 160 KUHP wegen Verhetzung und/oder Artikel 187 KUHP wegen vorsätzlicher Brandstiftung und/oder Artikel 365 KUHP wegen Diebstahls in Verbindung mit Gewalt und/oder Artikel 170 (1) KUHP wegen kollektiver Gewalt gegen Personen oder Gegenstände und/oder Artikel 2 des Notstandsgesetzes Nr. 12/1951 über den unbefugten Besitz und Gebrauch scharfer Waffen in Verbindung mit Artikel 64 KUHP).

Vierter Prozess gegen die Angeklagten Abua Jikwa und Endu Kogoya. (Anklage: Artikel 170 KUHP über kollektive Gewalt gegen Personen oder Gegenstände)

Prozess gegen den KNPB-Aktivisten Donny Itlay in Jayapura eröffnet
Ein Prozess gegen einen Aktivisten des West Papua National Committee (KNPB), Donny Itlay, wurde im Januar 2020 vor dem Bezirksgericht von Jayapura eingeleitet. Er wurde zusammen mit dem KNPB-Anführer Agus Kossay am 18. September 2019 verhaftet, als sie in der Stadt Sentani im Bezirk Jayapura ein Motorrad fuhren. Während Agus Kossay wegen Verrats angeklagt wurde und derzeit zusammen mit sechs anderen politischen Gefangenen in der Provinz Kalimantan Timur (siehe nächster Absatz) vor Gericht steht, wurde Donny Itlay nach Artikel 480 KUHP wegen Hehlerei angeklagt. Die Vernehmung eines Zeugen am 21. Januar 2020 bestätigte, dass Donny Itlay das Motorrad gemietet hatte. Itlay erklärte, dass er nicht wusste, dass das Fahrzeug gestohlen war. Sein Anwalt bewertete den Fall als Versuch, seinen Mandanten wegen seiner Mitgliedschaft in der politischen KNPB-Bewegung zu kriminalisieren.

Update zur Situation von sieben politischen Gefangenen aus Papua in Kalimantan
Die sieben politischen Aktivisten aus Papua immer noch in der Stadt Balikpapan in der Provinz Kalimantan Timur festgehalten (Stand: Ende Januar). Anfang Januar hatte die Staatsanwaltschaft die Haftzeit erneut bis Februar 2020 verlängert. Sie wurden wegen Verrats nach Artikel 106 angeklagt und warten immer noch auf ihren Prozess. Der Staatsanwalt kündigte an, dass er alle notwendigen Maßnahmen ergreifen werde, um sicherzustellen, dass der Prozess vor dem Bezirksgericht von Balikpapan abgehalten wird. Die Angeklagten fordern weiterhin, dass der Prozess in Westpapua stattfindet. Die United Liberation Movement for Westpapua (ULMWP) und einige Gesetzgeber in den Provinzen Papuas unterstützten die Forderung, dass die sieben politischen Gefangenen nach Jayapura zurückgeführt werden sollten.

Mitte Januar 2020 veröffentlichten mehrere Medienquellen Informationen, nach denen die Haftbedingungen in den geschlossenen Zellen mit hoher Luftfeuchtigkeit und begrenzter Luftzirkulation seit mehr als zwei Monaten zu gesundheitlichen Problemen bei den sieben Häftlingen geführt haben. Trotz medizinischer Behandlung während der Haft hatten sie Berichten zufolge mit zahlreichen Gesundheitsproblemen zu kämpfen, wie Gastritis, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, schleimigem Husten und Atemprobleme. Es ist derzeit noch nicht bekannt, wann der Prozess beginnen wird.

Prozess gegen sechs pro-Papua-Aktivisten in Jakarta begonnen
Im Prozess gegen sechs Pro-Papua-Aktivisten gab es zwischen Ende Dezember 2019 und dem 22. Januar 2020 keine wesentlichen Entwicklungen. Der Prozess findet vor dem zentralen Bezirksgericht von Jakarta statt und wurde zweimal verschoben. Die Richter fühlten sich beunruhigt, weil die Angeklagten Ambrosius Mulait und Dano Tabuni in ihrer traditionellen Kleidung an der Verhandlung teilnahmen. Die so genannte „koteka“ wird von Männern im zentralen Hochland von Westpapua getragen. Er bedeckt den Penis mit einer getrockneten Kürbisschale. Die Hoden sind nicht bedeckt. Die Richter verlangten von beiden Angeklagten, bei der Verhandlung „höfliche Kleidung“ zu tragen. Ambrosius Mulait und Dano Tabuni hatten auch das Wort für „Affe“ mit weißer Farbe auf die Brust gemalt (rassistische Beleidigungen, die Papuas erfahren, beinhalten häufig das Wort „Affe“). Die Anwälte und Menschenrechtsaktivisten verstanden die Aussagen der Richter als rassistische Äußerungen, die die kulturellen Traditionen in Westpapua ignorierten. Mulait und Tabuni willigten schließlich ein, Hosen zu tragen (s. Foto).

Prozess gegen neun Anti-Rassismus-Protestler in Waghete
Die drei Prozesse gegen neun Anti-Rassismus-Protestler vor dem Bezirksgericht von Nabire sind noch nicht abgeschlossen. Die Richter lehnten den Einspruch der Angeklagten gegen die Anklageerhebung des Staatsanwalts ab. Auch der Versuch der Anwälte, den Prozess gegen die Angeklagten Yuven Pekei und Andreas Douw zu stoppen, wurde von den Richtern abgelehnt. Die Anwälte hatten argumentiert, dass beide Angeklagten zum Zeitpunkt des Vorfalls noch unter 18 Jahre alt waren. Die Richter argumentierten jedoch, dass beide Jugendliche zu Beginn des Prozesses bereits 18 Jahre alt geworden seien und daher als Erwachsene behandelt werden könnten. Die Prozesse werden mit der Prüfung von Beweismitteln und Zeugenaussagen durch Sachverständige fortgesetzt.