Knapp zwei Jahre nach seiner Verhaftung wurde Victor Yeimo wegen seiner Beteiligung an den Anti-Rassismus-Protesten in Westpapua im August 2019 am 5. Mai 2023 zu acht Monaten Haft verurteilt.
Nach mehr als drei Monaten Haft wurde am 24. August 2021 vor dem Bezirksgericht Jayapura der Prozess gegen Victor Yeimo eröffnet. Seitdem wurde der Prozess mehrfach ausgesetzt, da Yeimo unter schweren Gesundheitsproblemen litt und zwischenzeitlich im Krankenhaus behandelt werden musste. Yeimos Anwälte kritisierten während der Verhandlung unter anderem die mangelhaften personellen Zuständigkeiten während seiner Verhaftung, das Fehlen eines Haftbefehls, den mangelhaften gewährten Rechtsbeistand für Yeimo, die unklaren Vorwürfe gegen Yeimo und die Trennung seines Falls von dem anderer Angeklagter.
Viktor Yeimo wurde in seinem Fall mit zwei Anklagen konfrontiert. In der ersten Anklageschrift wurde er beschuldigt, Hochverrat begangen, andere dazu angestiftet und daran teilgenommen zu haben, wie in Artikel 106 in Verbindung mit Artikel 55 Absatz (1) des Strafgesetzbuchs dargelegt. In der zweiten Anklageschrift wird Yeimo der Verschwörung zum Hochverrat gemäß Artikel 110 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs beschuldigt.
Gegen Yeimo werden zusätzlich zu den beiden vorangegangenen Anklagen zwei weitere Anklagepunkte erhoben. In der dritten Anklageschrift wird ihm der Straftatbestand der Anstiftung, des Befehls oder der Beteiligung am Hochverrat durch die Gewährung von Unterstützung oder Gelegenheiten gemäß Artikel 110 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorgeworfen. In der vierten Anklageschrift wird Yeimo vorgeworfen, andere mündlich oder schriftlich zur Begehung einer Straftat, zur Gewaltanwendung gegen Amtsträger oder zur Missachtung von Gesetzen oder behördlichen Anordnungen angestiftet zu haben, was gegen Artikel 160 des Strafgesetzbuchs in Verbindung mit Artikel 55 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs verstößt.
Viktor Yeimo wies während des Prozesses wiederholt all diese Anschuldigungen zurück und sagte, er sei nicht an der Planung der Anti-Rassismus-Demonstration 2019 beteiligt gewesen und habe nur an der Aktion teilgenommen, weil er sich von der rassistischen Behandlung der Papuas erschüttert fühlte.
Am 27. April 2023 befand die Staatsanwaltschaft Viktor Yeimo der im ersten Anklagepunkt von Artikel 106 in Verbindung mit Artikel 55 Absatz (1) des Strafgesetzbuches angeklagten Straftat für schuldig. Der Staatsanwalt beantragte eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren für Viktor Yeimo. In dem am 5. Mai 2023 verlesenen Urteil erklärten die Richter, dass die erste, zweite, dritte und vierte Anklage gegen Viktor Yeimo nicht bewiesen werden konnte. Sie befanden Yeimo jedoch des Verstoßes gegen Artikel 155 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs für schuldig und verurteilten ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten.
Amnesty International kritisiert Entscheidung
Amnesty International kritisiert die Entscheidung des Gerichts, Yeimo wegen Art. 155 des Strafgesetzbuches zu verurteilen. „Im Jahr 2007 hatte das Verfassungsgericht den Artikel 155 des Strafgesetzbuches aufgehoben, und heute wird derselbe Artikel gegen friedliche Aktivisten wie Viktor Yeimo angewendet. Bewegt sich die Strafverfolgung rückwärts?“, so Exekutivdirektor von Amnesty International Indonesien, Usman Hamid.
„Die Tatsache, dass er (Yeimo) und viele Papuas festgenommen und inhaftiert wurden, weil sie friedlich ihre politische Meinung geäußert haben, zeigt, dass der Staat den Schutz der Menschenrechte vernachlässigt“, so Hamid.
„Was mit Yeimo und anderen Papua-Aktivisten, die sich zu Wort gemeldet haben, geschieht, ist eine Form von Willkür, Irreführung und Diskriminierung“, fügte Usman hinzu. „Es wird auch eine Botschaft an andere Aktivisten und Demonstranten senden, dass Dissens und friedliche Meinungsäußerungen nicht willkommen sind.“
Anwaltsteam weist auf Nichtigkeit von Art. 155 des Strafgesetzbuches hin
Nach der Verlesung des Urteils ordnete das Richtergremium unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Mathius, dem die Richter Andi Asmuruf und Linn Carol Hamadi angehören, an, dass Viktor Yeimo in Haft bleibe. Eine der Anwältinnen aus dem Anwaltsteam von Victor Yeimo, Anum Siregar, erklärte jedoch, dass diese Anordnung null und nichtig sei. „Die Inhaftierung basierte auf dem Urteil, mit dem Viktor Yeimo für schuldig befunden wurde. Allerdings wurde er auf der Grundlage eines Artikels verurteilt, der vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden ist. Daher argumentieren wir, dass die Inhaftierung von Viktor Yeimo, die nach der Verlesung des Urteils begann, nicht rechtmäßig ist“, sagte sie.
Sie forderte die Richter des Bezirksgerichts Jayapura auf, sich an die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 17. Juli 2007 zu halten, mit der Artikel 155 des Strafgesetzbuchs für ungültig erklärt wurde. Sie betonte, dass Artikel 155 nicht mehr in Anklageschriften, Strafverfolgungen oder Gerichtsentscheidungen enthalten sein sollte. Siregar wies darauf hin, dass in der Entscheidung des Verfassungsgerichts ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Artikel 154 und 155 des Strafgesetzbuches wegen ihrer übermäßigen Einschränkung der Meinungsfreiheit aufgehoben wurden, was im Widerspruch zu Artikel 28 und 28E Absatz (2) und Absatz (3) der Verfassung von 1945 stehe. Diese Artikel wurden aufgehoben, weil sie zu oft dazu benutzt worden seien, die Äußerung der eigenen Meinung zu kriminalisieren.
Sirergar erklärte zudem, dass die Entscheidung des Richtergremiums über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus ginge. In Yeimos Fall hätten die Richter ihn auf der Grundlage eines Artikels verurteilt, der nicht in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft enthalten war und seit 2007 vom Verfassungsgericht aufgehoben wurde.