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Freispruch für Fatia & Haris (Bild: KontraS)

Freispruch für Fatia Maulidiyanti und Haris Azhar

Ein wichtiger Sieg für das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das Westpapua-Netzwerk freut sich über den Freispruch und mit den beiden Menschenrechtsverteidiger*innen.

Anklage durch Minister Luhut

Studie zu Politik und Wirtschaft in Westpapua
Studie zu Politik und Wirtschaft in Westpapua

Fatia Maulidiyanti und Haris Azhar hatten in einem YouTube-Video über staatliche Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Westpapua berichtet. Sie bezogen sich dabei auf Ergebnisse der NGO-Studie „A Political Economy of Military Placement in Papua: Intan Jaya Case“. In der Diskussion ging es auch um die Verbindung des Ministers für Meeres- und Investitionsangelegenheiten Luhut Binsar Pandjaitan zu einem in dem Bericht genannten Bergbauunternehmen und dessen Verbindungen zum Militär. Luhut verklagte daraufhin die beiden Aktivist*innen. Ein Schlichtungstreffen im Oktober 2021 scheiterte.

Staatsanwaltschaft forderte mehrjährige Haftstrafen

Das Verfahren wurde im April 2023 vom zuständigen Gericht in Ost-Jakarta eröffnet. Es gab zahlreiche Anhörungen. Im November 2023 forderte die Staatsanwaltschaft, Fatia Maulidiyanti zu drei Jahren und sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 500.000 Rupiah (ca. 30 Euro) und Haris Azhar zu vier Jahren Haft und einer Geldstrafe von einer Million Rupiah (ca. 60 Euro) zu verurteilen.

Sieg für die Meinungsfreiheit

Fatia Maulidiyanti koordinierte bis 2023 die indonesische Menschenrechtsorganisation KontraS. Haris Azhar ist Direktor der Stiftung Lokataru. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, gegen die strafrechtlichen Bestimmungen zur Verleumdung gemäß Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 45 Absatz 3 des Gesetzes über elektronische Informationen und Transaktionen (ITE-Gesetz) sowie gegen Artikel 55 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs verstoßen zu haben.

Das Urteil wurde am 8. Januar 2024 vom zuständigen Bezirksgericht in Ost-Jakarta verkündet. Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti wurden in allen Anklagepunkten freigesprochen. U.a. seien ihre Kommentare in dem YouTube-Video nicht strafbar gewesen. Die Diskussion habe sich innerhalb der legitimen Grenzen der Meinungsäußerung bewegt, so der Richter. Auch die Bezeichnung Luhuts als „Lord“, an der der Minister Anstoß nahm sei nicht diffamierend, da sie sich auf seine Position in der Regierung bezog. Zudem sei die Beteiligung der Firma Toba Sejahtera, an der Minister Luhut mehrheitlich Anteile hält, am Bergbau in Westpapua erwiesen.

Freude in Westpapua über Freispruch

Zahlreiche Medien berichteten über die Urteilverkündung, unter den englischsprachigen u.a. Tempo, die Jakarta Post und The Diplomat. KontraS feierte den Erfolg als Sieg der freien Meinungsäußerung.

Auch viele Papuas setzten sich für Fatia und Haris ein und äußerten sich erfreut über das Urteil. Das Gerichtsurteil bestätige etwas „Wahres“, so Victor Yeimo (KNPB-Sprecher, Papua). Dies sei „ein Sieg für das Volk in Papua“, so Yeimo weiter. Der Bezug des Falls zu Westpapua verschärfte ihn zusätzlich. Eine freie, kritische Berichterstattung zu Westpapua ist in Indonesien kaum uneingeschränkt möglich. Wertneutrale, an Fakten orientierte Nachrichten zu Westpapua sind in der Minderheit. Daher ist der Fall „Fatia & Haris“ besonders in Westpapua, aber auch national und international, von vielen aufmerksam verfolgt worden, die sich zu Westpapua engagieren bzw. äußern. Eine Verurteilung hätte einen herben Rückschlag für die freie und an Tatsachen orientierte Berichterstattung bedeutet.

Zivilgesellschaft fordert Abschaffung von Paragrafen zu Diffamierung

Auch Menschenrechtsorganisationen zeigen sich erfreut und hoffnungsvoll über das Urteil. Das Urteil sei ein wichtiger Erfolg, aber Schikanen und Repressionen gegenüber der Zivilgesellschaft, Medien und kritischen Stimmen bestehen in Indonesien weiterhin. So wird das ITE-Gesetz weiter zur Unterdrückung abweichender Meinungen instrumentalisiert. „Der Freispruch sollte jetzt zur Freilassung weiterer Aktivist*innen, Journalist*innen und anderer führen, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie sich der Regierungspolitik widersetzten, sie kritisierten oder Bedenken über Interessenkonflikte von Staatsbeamten äußerten“, sagte Usman Hamid, Geschäftsführer von Amnesty International Indonesien. Weiter sollte „Diffamierung“ als Straftatbestand aus indonesischen Gesetzen gestrichen werden, um Menschenrechte zu wahren.

Ähnlich äußerte sich Yuneswaran Ramaraj, Parlamentsabgeordneter in Malaysia und Mitglied der ASEAN Parliamentarians for Human Rights. Er forderte die indonesische Regierung auf, das ITE-Gesetz aufzuheben. Das Gesetz sei zu breit und mehrdeutig gefasst und würde zur Kriminalisierung abweichender Meinungen benutzt.

Internationale Aufmerksamkeit und Engagement

Hunderte indonesische und internationale NGOs, darunter auch das Westpapua-Netzwerk, hatten sich in einer internationalen Solidaritäts-Kampagne gegen die Kriminalisierung von Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti und für ihre Freilassung eingesetzt.

Haris Azhar hob die Leistung des Anwaltsteams hervor und betonte die öffentliche Unterstützung im Gerichtsprozess. Beide Faktoren wären entscheidend für das Urteil gewesen. „Dies war eine soziale Bewegung, die sich im Gerichtssaal eindrucksvoll manifestiert hat. Das ist das, was wir Gerichtsaktivismus nennen, der sich für die Menschenrechte und die Umwelt einsetzt“. Fatia Maulidiyanti hofft, dass solche Unterstützung auch anderen bedrohten Aktivist*innen zukommt. „Unser Freispruch ist nicht das Ende eines langen Weges der Demokratie in Indonesien, die weiterhin Beständigkeit braucht„, sagte sie.

Weitere Infos:

Eine Einschätzung des ITE-Gesetzes findet sich bei Brot für die Welt.

Einen Überblick über die Anklage und den Gerichtsprozess gibt FIDH.

Der Originalbeitrag erschien auf der Homepage der Stiftung Asienhaus am 11. Januar 2024. Er wurde leicht angepasst. Wir danken der Stiftung-Asienhaus für die Bereitstellung des Beitrags.