Am 15. Juni, gegen 09:00 Uhr, war es auf dem Gel&a

Am 15. Juni, gegen 09:00 Uhr, war es auf dem Gelände des Militärkommandoposten Kodim 1705 zu einer Demonstration von Zivilsten gekommen. Sie protestierten gegen das brutale Vorgehen von fünf Militärangehörigen, die am 14. Mai den indigenen Papua Derek Adii getötet haben sollen.
Familienangehörige und Freunde des Ermordeten forderten bei dem Protest eine Aufklärung des Verbrechens und die strafrechtliche Verfolgung der Täter. Dabei kam es zu gewalttätigen Übergriffen zunächst von Seiten der Demonstranten, die Fensterscheiben des Militärstützpunktes zerschlugen und mit Gegenständen warfen.
Yones Douw, der zur Beobachtung des Protests vor Ort war, lief auf das Militärgelände, um die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Die Demonstranten sollen daraufhin gemeinsam mit Yones Douw das Gelände verlassen haben.
Das Militär reagierte nun seinerseits mit Gewalt: Soldaten feuerten Warnschüsse ab und begannen, auf offener Straße auf Demonstranten einzuschlagen. Dabei hatten sie vor allem den in der Öffentlichkeit bekannten Menschenrechtsverteidiger Yones Douw im Visier.
Mindestens fünf Soldaten sollen mit Holzlatten auf Yones Douw eingeschlagen und ihm Verletzungen an Kopf, Schulter und Handgelenken zugefügt haben. Auch der Vater des Ermordeten Derek Adii, Damas Adii, wurde durch Militärangehörige mit Holzlatten attackiert. Während Yones Douw geschlagen wurde, hörte er die Soldaten sagen: „Diesen Tieren muss eine Lektion erteilt werden“ und „Tötet die Leute einfach“. Eine ärztliche Versorgung soll Yones Douw anschließend im Krankenhaus untersagt worden seien, da das Personal für die medizinische Behandlung einen Brief der Polizei verlangt habe.
Yones Douw leidet seitdem vor allem unter Kopfverletzungen und ist besorgt um seine Gesundheit und Sicherheit. 2009 war er bereits Opfer polizeilicher Gewalt gewesen.
Menschenrechtsorganisationen und Kirchen Papuas verurteilen die Gewalt an Yones Douw und anderen Menschenrechtsverteidigern in Papua. In einer gemeinsamen Presseerklärung vom 17. Juni 2011 fordern sie explizit den Schutz von Menschenrechtsverteidigern durch den indonesischen Staat.
Amnesty International hat in einer Eilaktion (Urgent Action) dazu aufgerufen, zum Schutz von Yones Douw Briefe an die indonesischen Behörden zu schicken. Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, kann bei der Koordinationsstelle des West Papua Netzwerkes weitere Informationen und einen entsprechenden Musterbrief anfordern.

Kristina Neubauer

(Q.: Amnesty International: UA:188/11 Index:ASA 21/014/2011 Indonesia, 17.06.2011; Sekretarias Biro Keadilan dan Perdamaian Klasis Nabire; Siaran Pers Bersama Koalisi Para Pembela HAM di Tanah Papua „Jaminan Perlindungan Pembela HAM…?).

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Internationaler Tag der Menschenrechte

WPN 10. Dezember 2011 Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember 2011 haben sich Kirchen, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa, Australien und Asien in einem offenen Brief an den indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono gewandt. Die Organisationen äußern sich besorgt über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in den indonesischen Provinzen Papua und West Papua. Besonders alarmiert sei man über das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Dritten Papua-Kongresses am 19. Oktober 2011 in Jayapura, heißt es in dem Brief. Die indonesischen Sicherheitskräfte waren infolge des Kongresses mit übertriebener und unnötiger Gewalt gegen friedliche Kongressteilnehmer vorgegangen und hatten mindestens drei Menschen getötet und 96 weitere Personen verletzt.

Die Organisationen kritisieren, dass der indonesische Präsident einen Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission Komnas HAM zurückweist, in dem die von den indonesischen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind. Das Faith-based Network on West Papua (FBN) und die unterzeichnenden Organisationen rufen den indonesischen Präsidenten dazu auf, die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Täter vor einen Nationalen Menschenrechtsgerichtshof zu stellen.

Die Organisationen begrüßen die Bereitschaft von Susilo Bambang Yudhoyono, einen Dialog mit Papua aufzunehmen, um die anhaltenden Konflikte friedlich zu lösen. Sie appellieren an den Präsidenten, ein anerkanntes internationales Mediationsinstitut für diesen Dialog einzuladen.

Folgende Organisationen haben den Brief unterzeichnet: Asian Human Rights Commission (AHRC), Brot für die Welt (BfdW), Faith-based Network on West Papua (FBN), Franciscan International (FI), Mensen met een Missie, Misereor, Uniting Church in Australia (UCA), Vereinte Evangelische Mission (VEM), Watch Indonesia! und das West Papua Netzwerk (WPN).

Bitte lesen Sie den englischsprachigen Brief auf der Homepage des Faith-based Network on West Papua (FBN) unter: www.faithbasednetworkonwestpapua.org

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Die Würde ist (un)antastbar – Papua Partnerschaftsseminar Waldbröl

WPN 6.Dezember 2008
Nach dem 1. Dezember, dem 47. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung West-Papuas, reagiert die Polizei in Papua nervös. Es kam zu Verhaftungen, Einschüchterungen und Drohungen. 2008-10-21buchtar-tabuni-da Buchtar Tabuni und seine Anwältin Anum Siregar bei der Festnahme am 16.10.2008 Am 3. Dezember wurde in Jayapura der Aktivist Buchtar Tabuni ohne Haftbefehl festgenommen. Sein Anwalt erklärte, dass er zwar nicht geschlagen, aber beschimpft wurde. Buchtar Tabuni ist der Vorsitzende einer Gruppe, die sich die Forderungen der International Parlamentarians for West Papua zu eigen gemacht hat. Die Gruppe fordert eine Überprüfung des Referendums von 1969 – des sog. Act of Free Choice – und ein neues Referendum. Sie vertritt das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung entsprechend den Grundsätzen der internationalen Gemeinschaft. Buchtar Tabuni hatte am 16. Oktober eine genehmigte Demonstration organisiert, mit der die Gründungsveranstaltung der International Parlamentarians for West Papua in London unterstützt werden sollte. Er wurde schon am 18. Oktober verhaftet und verhört, aber wieder freigelassen. Seine erneute Verhaftung unmittelbar nach den Veranstaltungen zum 1. Dezember soll alle die einschüchtern, die eine Selbstbestimmung der Papua wünschen oder fordern. Etwa 100 Anhänger Buchtars demonstrierten vor dem Polizeigebäude und forderten seine bedingungslose Freilassung. Am 5. Dezember durchsuchte die Polizei ein Haus in Sentani, in dem das sog. Büro zur Feier des 1. Dezember untergebracht ist. Es wurden Papiere und Bücher beschlagnahmt. Am 1. Dezember hatten in Manokwari auf den Straßen sog. sweeping, Polizeikontrollen, stattgefunden. Dabei wurde Edison Baransano verhaftet und den ganzen Tag festgehalten, weil man in seiner Tasche ein Transparent mit dem Symbol der Morgensternflagge gefunden hatte. Bei der Verhaftung wurde er mit Gewehrkolben geschlagen, auf den Boden geworfen und mit Stiefeln getreten. Seither erhält er über sein Mobiltelefon anonyme Kurznachrichten, in denen er und seine Ehefrau bedroht werden. Am 6.12. wurden Barnabas Mandacan, der Vorsitzende des Adatrates (DAP) von Manokwari, und John Warijo, der Vorsitzende des nationalen Komitees der Jugend von Papua (KNPP), von der Polizei vorgeladen und verhört. Sie hatten am 1. Dezember einen Demonstrationszug organisiert, an dem bis zu 2000 Personen teilgenommen hatten. An einer Brücke war eine Morgensternflagge von Unbekannten aufgehängt worden. Schon am 30. November fand am späten Abend im Gefängnis von Abepura eine Durchsuchung statt, die von einer 60 köpfigen externen Truppe von Polizei und Militär durchgeführt wurde. Man fand lediglich eine Jacke mit einem aufgenähten Symbol der Morgensternflagge und zwei Mobiltelefone. Selbst das Gefängnispersonal war überrascht von dieser unverhältnismäßigen Aktion. Während diese Aktionen die Nervosität der indonesischen Polizei in West-Papua zeigen, ließ man im Zentrum der Hauptstadt Jakarta eine Demonstration zum 1. Dezember ungestört stattfinden. Dazu hatte sich ca. 300 Personen, vorwiegend Studenten, versammelt. Die britische Europaabgeordnete Dr. Caroline Lucas betonte in einer Presseerklärung zum 1. Dezember das Recht der Papua auf Selbstbestimmung. Dr. Lucas gehört der Grünen Partei – Green Party – an und ist Mitglied der International Parlamentarians for West Papua. (sz)

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E-Info vom 21.10.2011

Am 19. Oktober, gegen 14 Uhr, hatte der Kongress eine neue Papuaführung bestimmt und eine Erklärung zur Selbstbestimmung des Papuavolkes vorgelegt. Die indonesischen Sicherheitskräfte reagierten daraufhin mit repressiver Gewalt. Sie feuerten Warnschüsse ab, setzten Tränengas ein und schlugen mit Knüppeln auf Kongressteilnehmer ein. Augenzeugen berichten von hunderten von Schüssen, die bis gegen 18 Uhr angehalten haben sollen.
Die indonesischen Sicherheitskräfte drangen auf der Suche nach Kongressteilnehmern auch in ein Haus des katholischen Franziskanerordens ein und durchsuchten es gewaltsam. Augenzeugen der katholischen Kirche wie der evangelischen Kirche GKI-TP berichten von Stunden der Angst und des Schreckens in Abepura am vergangenen Mittwoch. Die indonesische Polizei bestätigte den Tod von zwei Zivilisten. Mindestens 30 weitere sollen verletzt worden sein.
Von zunächst 300 festgenommenen Kongressteilnehmern sind die meisten inzwischen wieder auf freiem Fuß. Fünf Personen sind von der Polizei wegen Rebellion und Staatsverrat unter Artikel 110, 106 und 160 des indonesischen Strafgesetzbuches verhaftet worden und befinden sich in Polizeigewahrsam. Darunter auch prominente Papua wie der Vorsitzende des Traditionellen Papuarates DAP (Dewan Adat Papua), Forkorus Yaboisembut. Ihm und den vier weiteren Verhafteten droht möglicherweise eine lebenslange Haftstrafe. Das brutale Vorgehen der indonesischen Sicherheitskräfte gegenüber den friedlichen Kongressteilnehmern hat weltweit Entsetzen hervorgerufen. Der Senator der Grünen im australischen Bundesstaat Viktoria, Richard Di Natala, rief die australische Regierung dazu auf, die militärische Zusammenarbeit mit Indonesien unverzüglich zu beenden.
Der US-amerikanische Kongressabgeordnete Eni Faleomavaega äußerte sich besorgt über die Festnahmen am vergangenen Mittwoch und forderte die sofortige Freilassung von Forkorus Yaboisembut. Der Ökumenische Rat der Kirchen Indonesiens PGI (Persekutuan Gereja-Gereja di Indonesia) verurteilte in einer Pressemitteilung das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte und rief den indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono dazu auf, in eine konstruktive Kommunikation (Dialog) mit der Bevölkerung Papuas zu treten. Die Vorfälle vom vergangenen Mittwoch zeigen, dass die indonesische Regierung nach wie vor mit Gewalt auf die bestehenden Probleme in Papua reagiert. Es ist zu wünschen, dass es angesichts der Tragödie vom 19. Oktober zu einem Umdenken von indonesischer Seite kommt.
Ein Modell zur friedlichen Lösung des Konfliktes liegt bereits seit über zwei Jahren auf dem Tisch: das Dialogkonzept von Neles Tebay ist aktueller denn je.

(Q.: Asian Human Rights Commission: Urgent Appeal Case AHRC-UAC-213-2011; JPIC-Büro Evangelische Kirche im Lande Papua GKI-TP 21.10.11: Kongres Papua III; Joint Statement by TAPOL, WPAT, ETAN 20.10.11: Indonesian crackdown on Papuan congress sparks outrage; The Age 21.10.11: Bodies found near West Papua barracks; Persekutuan Gereja-Gereja di Indonesia (PGI) 21.10.11: Press Release: PGI prihatin atas insiden kekerasan di Papua)

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Der neue Rundbrief 2/2011 ist erschienen

Nach Überwindung des Suharto-Regimes 1998 stellte Indonesien seine Menschenrechtspolitik auf eine neue Basis. Ein Menschenrechtsgesetz und ein Gesetz über Menschenrechtsgerichtshöfe wurden verabschiedet, die nationale Menschenrechtskommission wurde mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet und das Justizministerium in das Ministerium für Justiz und Menschenrechte überführt. Auf Ebene der VN trat Indonesien den beiden Menschenrechtspakten bei und unterzeichnete eine Reihe wichtiger Konventionen, darunter die Antifolterkonvention.
Im Rahmen der Mitgliedschaft in der ASEAN beteiligt sich Indonesien am Aufbau einer transnationalen Menschenrechtskommission. Mit verschiedenen Staaten, darunter die Schweiz, Norwegen und die EU, ist Indonesien in einen Menschenrechtsdialog getreten.
Auch in der Praxis ergaben sich spürbare Verbesserungen, beispielsweise in den Bereichen Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass einige der genannten Regelwerke eher der Kosmetik dienen als einer konsequenten Umsetzung von Menschenrechtsprinzipien. Augenfällig ist, dass die Gesprächsbereitschaft der indonesischen Regierung (GoI) zu solchen Themen am größten ist, die am wenigsten mit Interessen der politischen Eliten kollidieren.
So zeigte GoI bspw. Interesse im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit der EU über die Situation in Gefängnissen und über das Jugendstrafrecht zu sprechen.
Wer jedoch Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Regimewechsel 1965/66 oder aktuelle Fälle in Papua anspricht, riskiert als „Kommunist“ oder „Separatist“ stigmatisiert zu werden.
Straflosigkeit und die Menschenrechtslage in Papua sind unverändert zwei der gravierendsten Probleme. Alarmierend sind jüngere Entwicklungen rund um den Komplex Religions- und Glaubensfreiheit.

Folter
Zwei Mal fanden im vergangenen Jahr Videoaufnahmen von grausamen Folterszenen in Papua ihren Weg ins Internet, wo sie weltweit für Entsetzen sorgten. Es ist augenscheinlich, dass diese Fälle nur die Spitze eines Eisberges sind.
Indonesien hat die Antifolterkonvention der VN unterschrieben, die Ratifizierung steht jedoch noch aus. Gegenwärtig ist Folter kein Straftatbestand. Eine umfassende Novellierung des Strafgesetzbuches verzögert sich seit mehreren Jahren. Sind die Täter – wie im Beispiel der genannten Videos – Angehörige des Militärs, so unterliegen sie der Militärgerichtsbarkeit, die ebenfalls keine Verurteilung wegen Folter kennt. Dies hat zur Folge, dass Täter – wenn überhaupt – lediglich wegen Disziplinarvergehen zur Verantwortung gezogen werden, die mit wenigen Monaten Haft belegt sind.

Recht und Gesetz / Straflosigkeit
Verschiedene Justizskandale haben das geringe Vertrauen der Bevölkerung in Recht und Gesetz massiv beeinträchtigt. Die Weigerung des Bürgermeisters der Großstadt Bogor, ein Urteil des Obersten Gerichtshofes umzusetzen, welches vorschreibt einen Kirchenneubau (GKI Yasmin) zur Nutzung freizugeben, blieb bislang ohne Konsequenz. GoI besteht nicht darauf, dass höchstrichterlichen Urteilen Folge zu leisten ist. Gerichtsurteile, welche die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht wahren, untergraben das Rechtsbewusstsein in der Bevölkerung. Grundlegende Rechtsstandards werden verletzt, wenn die Anwendung von Folter nur mit wenigen Monaten, eine friedliche Aktion wie das Aufziehen einer verbotenen Flagge aber mit einer langjährigen Haftstrafe belegt wird.
Mit großer Besorgnis ist zu werten, dass die Täter eines gewaltsamen Angriffs auf die religiöse Minderheit der Ahmadiyah zu nur wenigen Monaten Haft verurteilt wurden, während ein Opfer für sechs Monate hinter Gitter muss.
Nachdem der Menschenrechtsverteidiger Munir 2004 auf dem Flug nach Amsterdam an einer Arsenvergiftung verstorben war, erklärte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono die Aufklärung des Falles zur Chefsache. Er setzte eine Untersuchungskommission ein, die wichtige Indizien zu Tage förderte. Der Tatausführende wurde zu einer längeren Haftstrafe verurteilt. Doch der Prozess gegen einen mutmaßlichen Auftraggeber, Geheimdienstgeneral Muchdi, verlief im Sande. Wichtige Zeugen wurden nicht gehört, weil sie der Ladung zur Anhörung nicht Folge leisteten. Verfahren gegen weitere Verdächtige wurden niemals eröffnet. Dennoch sieht GoI den Fall mittlerweile als „abgeschlossen“ an.
Vor und nach dem Abtritt Suhartos demonstrierten 1998 tausende Studenten auf den Straßen Jakartas. Einige bezahlten mit ihrem Leben, als an der Kreuzung von Semanggi das Feuer auf sie eröffnet wurde. Entsprechend der Ermittlungen der nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) ist der Fall als schwere Menschenrechtsverletzung i.S.d.G. zu werten, was die Einrichtung eines Ad-hoc Menschenrechtsgerichtshofes zur Folge haben könnte. Hierzu bedarf es eines Parlamentsbeschlusses und der Erhebung einer Anklage durch den Generalstaatsanwalt.
Parlament und Generalstaatsanwaltschaft schieben sich seit Jahren gegenseitig die Verantwortung zu. 2009 verabschiedete das Parlament eine Resolution zum Schicksal der 1997/98 Verschwundenen, die als hoffnungsvoller Schritt begrüßt wurde. GoI hat die empfohlenen Schritte zur Einrichtung eines Ad-hoc Gerichtshofes bislang nicht umgesetzt.

Aceh
Das MoU von Helsinki erwies sich als geeignet, den über Jahrzehnte andauernden gewaltsamen Konflikt zwischen der Unabhängigkeitsbewegung GAM und den indonesischen Streitkräften zu beenden. Die Umsetzung der im MoU enthaltenen Vereinbarungen zur Aufarbeitung der Vergangenheit steht aus. Sechs Jahre nach dem verheerenden Tsunami sind die meisten Projekte internationaler Organisationen abgeschlossen und die Provinz muss nun auf eigenen Füßen stehen. Vor den anstehenden Gouverneurswahlen zeichnet sich ein Konflikt zwischen Fraktionen der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung ab, der bereits mehrere Todesopfer forderte. Eine Begleitung des Prozesses durch externe Beobachter könnte konfliktmindernd wirken. Im Rahmen der Sonderautonomie wurde in Aceh als einziger Provinz Indonesiens die Scharia eingeführt. Ein vom Provinzparlament verabschiedetes Gesetz sieht Strafen wie Handamputation für Diebe und Steinigung für EhebrecherInnen vor. Diesem Gesetz verweigert der amtierende Gouverneur bislang seine Unterschrift. Schon jetzt werden aber außereheliche Verhältnisse, Alkoholkonsum oder Glücksspiel durch öffentliche Auspeitschung bestraft. Eine Scharia-Polizei (Wilayatul Hisbah) wacht über die Einhaltung der Vorschriften. Ihre Methoden erinnern häufig an Mob- und Lynchjustiz. Die ausgeübte Praxis der Scharia verstößt gegen die Menschenrechte, gegen die indonesische Verfassung (UUD 45) und nicht zuletzt auch gegen die Vorschriften des Islam.

Religionsfreiheit
Bürgerkriegsähnlichen Konflikte zwischen religiösen Gruppen, die vor zehn Jahren auf den Molukken und in Zentralsulawesi Tausende von Menschenleben kosteten, bestimmen aktuell nicht die Situation. An ihre Stelle ist eine deutlich gesteigerte Religiosität in weiten Teilen der Gesellschaft getreten, die mit Polarisierung und Radikalisierung einhergeht. In vielen Provinzen und Kommunen wurden von der Scharia inspirierte Regelungen erlassen, wie z.B. Kleidungsvorschriften. Diese Regeln stehen in Widerspruch zur Verfassung, aber es sind keine Bemühungen seitens GoI erkennbar, dem Wildwuchs strenger Regelungen ein Ende zu setzen. Radikale islamistische Gruppen wie z.B. FPI (Front Pembela Islam) oder Hizbut Tahrir genießen mitnichten Sympathie und Zustimmung der moderaten muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Doch weder Vertreter der Politik, noch des Islam oder anderer gesellschaftlicher Gruppen treten diesen Gruppen und ihren Aktivitäten offen entgegen. Indes sorgt die Macht des Faktischen für eine stetig wachsende Akzeptanz gegenüber diesen Gruppen. Religiöse Minderheiten wie Ahmadiyah oder Baha’i und soziale Minderheiten wie LGBT (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) müssen praktisch jederzeit auf tätliche Angriffe gewappnet sein. Auch Christen, Buddhisten und andere nicht-islamische Gruppen sehen sich zunehmend der Gefahr gewaltsamer Übergriffe und zunehmender Schikane durch Behörden ausgesetzt, beispielsweise bei Genehmigungsverfahren für neue Kirchen oder Tempel. Der Angriff auf die Ahmadiyah in Cikeusik, Banten, vom 06. Februar 2011, bei dem drei Menschen brutal getötet wurden, zeigt, dass GoI seiner obersten Pflicht, dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit aller Staatsbürger, nicht nachkommt. Sowohl die Verfassung (UUD 45) als auch der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, dem Indonesien beigetreten ist, verpflichten GoI zur Religions- und Glaubensfreiheit. Zahlreiche Gesetze und Dekrete verstoßen gegen diese Grundsätze. Das (novellierte) Blasphemiegesetz von 1965 erkennt nur sechs Religionen ausdrücklich an. Ein Dekret aus dem Jahre 2008 illegalisiert die Ahmadiyah und gibt eine Legitimationsbasis für Übergriffe.

Papua
Die Menschenrechtslage in Papua (i.e. die Provinzen Papua und Westpapua) ist äußerst Besorgnis erregend. Die Sonderautonomie gilt weithin als gescheitert und es kommt zu einer Verhärtung der Fronten. Politische Entwicklungen (anstehende Gouverneurswahlen, Bildung und Besetzung der „zweiten Parlamentskammer“ MRP, fortschreitende Bildung immer neuer Landkreise und Provinzen usw.) sowie anstehende Bergbau- und Plantagenprojekte sorgen für neues Konfliktpotential horizontaler und vertikaler Art. Die hohe Militärpräsenz ist in den Augen vieler Papua bereits für sich genommen ein Mittel der Einschüchterung. Zahlreiche Fälle von offener Diskriminierung, Festnahmen, gewaltsamen Übergriffen und Folter von Gefangenen zementieren dieses Bild. Internationalen Organisationen, Journalisten und sogar Politikern bleibt der Zugang nach Papua verwehrt. GoI widerspricht mit dieser Praxis der eigenen Sichtweise von Papua und Westpapua als „ganz normalen“ indonesischen Provinzen. Das staatliche Institut für Wissenschaft und Forschung (LIPI) verfügt über hervorragende Analysen der Probleme Papuas, auf deren Grundlage eine „road map“ für eine dialogische Lösung erarbeitet wurde.

WSK-Rechte
52% der IndonesierInnen, also ca. 125 Mio. Menschen fallen nach Angaben des World Food Program’s (WFP) unter die Armutsgrenze von 2 US$ pro Tag. Urbane Arme werden häufig Opfer der Stadtentwicklung. Ihr Recht auf Wohnung wird ignoriert. Siedler, Bettler und andere werden kriminalisiert.

Menschenrechte und Umwelt
Die größte Anzahl von Menschenrechtsverletzungen geschieht in Zusammenhang mit der Ausbeutung der Naturressourcen. Institutionalisierte Gewalt aufgrund der Wirtschaftspolitik und – Gesetzgebung führt zu Vertreibungen und gewaltsamer Umsiedlung. Die Missachtung der Indigenenrechte, einschließlich des Rechtes auf Nahrung, und ethnische Diskriminierung sind Verletzungen der WSKRechte. Außerdem reagiert der Staat bei konkreten Konflikten häufig mit Gewalt.

Empfehlungen:
Der VN-Menschenrechtsrat, die EU und die Bundesregierung sollen darauf hinwirken, dass
• GoI umgehend die Antifolterkonvention ratifiziert und Folter wirksam unter Strafe stellt, sowie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beitritt,
• gesetzgeberische, juristische und administrative Ursachen, die zu Straflosigkeit beitragen, systematisch erfasst und ausgeräumt werden, • bei Gerichtsurteilen die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt wird und alle Staatsbürger Gesetzen und Gerichtsurteilen Folge zu leisten haben,
• GoI und die politischen Kontrahenten in der Provinz Aceh eine Langzeitbeobachtung der anstehenden Gouverneurswahlen zulassen,
• die Regierung Acehs Akte der Selbstjustiz durch die Scharia-Polizei (Wilayatul Hisbah) strikt unterbindet,
• GoI konsequent gegen verfassungsfeindliche scharia-inspirierte Regelungen einschreitet,
• Staat und Regierung dafür Sorge tragen, dass sich sämtliche Staatsbürger des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit ihrer Person sicher sein können,
• GoI Gesetze und Praktiken ändert, um die Religions- und Glaubensfreiheit in Übereinstimmung mit dem Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) zu bringen,
• GoI den Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit des UN-Menschenrechtsrats einlädt,
• GoI einen ernsthaften und offenen Dialog mit Papua zur Lösung des Konfliktes führt, die Militärpräsenz reduziert und Menschenrechtsverletzungen adressiert.
• internationale Organisationen, Journalisten und Politiker freien Zugang nach Papua haben,
• GoI seine internationalen Verpflichtungen einhält, einschließlich des UN-Paktes zu politischen und bürgerlichen Rechten, des UN-Paktes zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten, des UN-Paktes zur Eliminierung rassischer Diskriminierung und des UN-Paktes zur Eliminierung der Diskriminierung von Frauen
• GoI die UN-Erklärung zu den Rechten Indigener Völker beachtet und diskriminierende Gesetze und Praktiken revidiert.
• Der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten indigener Völker und der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Indonesien besuchen und über die Folgen von Großplantagen und Bergbau auf Indigene berichten.

Sie können den Bericht auch downloaden bei www.watchindonesia.org.

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Aide-Mémoire 2011 – Indonesien

Nach Überwindung des Suharto-Regimes 1998 stellte Indonesien seine Menschenrechtspolitik auf eine neue Basis. Ein Menschenrechtsgesetz und ein Gesetz über Menschenrechtsgerichtshöfe wurden verabschiedet, die nationale Menschenrechtskommission wurde mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet und das Justizministerium in das Ministerium für Justiz und Menschenrechte überführt. Auf Ebene der VN trat Indonesien den beiden Menschenrechtspakten bei und unterzeichnete eine Reihe wichtiger Konventionen, darunter die Antifolterkonvention.
Im Rahmen der Mitgliedschaft in der ASEAN beteiligt sich Indonesien am Aufbau einer transnationalen Menschenrechtskommission. Mit verschiedenen Staaten, darunter die Schweiz, Norwegen und die EU, ist Indonesien in einen Menschenrechtsdialog getreten.
Auch in der Praxis ergaben sich spürbare Verbesserungen, beispielsweise in den Bereichen Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass einige der genannten Regelwerke eher der Kosmetik dienen als einer konsequenten Umsetzung von Menschenrechtsprinzipien. Augenfällig ist, dass die Gesprächsbereitschaft der indonesischen Regierung (GoI) zu solchen Themen am größten ist, die am wenigsten mit Interessen der politischen Eliten kollidieren.
So zeigte GoI bspw. Interesse im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit der EU über die Situation in Gefängnissen und über das Jugendstrafrecht zu sprechen.
Wer jedoch Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Regimewechsel 1965/66 oder aktuelle Fälle in Papua anspricht, riskiert als „Kommunist“ oder „Separatist“ stigmatisiert zu werden.
Straflosigkeit und die Menschenrechtslage in Papua sind unverändert zwei der gravierendsten Probleme. Alarmierend sind jüngere Entwicklungen rund um den Komplex Religions- und Glaubensfreiheit.

Folter
Zwei Mal fanden im vergangenen Jahr Videoaufnahmen von grausamen Folterszenen in Papua ihren Weg ins Internet, wo sie weltweit für Entsetzen sorgten. Es ist augenscheinlich, dass diese Fälle nur die Spitze eines Eisberges sind.
Indonesien hat die Antifolterkonvention der VN unterschrieben, die Ratifizierung steht jedoch noch aus. Gegenwärtig ist Folter kein Straftatbestand. Eine umfassende Novellierung des Strafgesetzbuches verzögert sich seit mehreren Jahren. Sind die Täter – wie im Beispiel der genannten Videos – Angehörige des Militärs, so unterliegen sie der Militärgerichtsbarkeit, die ebenfalls keine Verurteilung wegen Folter kennt. Dies hat zur Folge, dass Täter – wenn überhaupt – lediglich wegen Disziplinarvergehen zur Verantwortung gezogen werden, die mit wenigen Monaten Haft belegt sind.

Recht und Gesetz / Straflosigkeit
Verschiedene Justizskandale haben das geringe Vertrauen der Bevölkerung in Recht und Gesetz massiv beeinträchtigt. Die Weigerung des Bürgermeisters der Großstadt Bogor, ein Urteil des Obersten Gerichtshofes umzusetzen, welches vorschreibt einen Kirchenneubau (GKI Yasmin) zur Nutzung freizugeben, blieb bislang ohne Konsequenz. GoI besteht nicht darauf, dass höchstrichterlichen Urteilen Folge zu leisten ist. Gerichtsurteile, welche die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht wahren, untergraben das Rechtsbewusstsein in der Bevölkerung. Grundlegende Rechtsstandards werden verletzt, wenn die Anwendung von Folter nur mit wenigen Monaten, eine friedliche Aktion wie das Aufziehen einer verbotenen Flagge aber mit einer langjährigen Haftstrafe belegt wird.
Mit großer Besorgnis ist zu werten, dass die Täter eines gewaltsamen Angriffs auf die religiöse Minderheit der Ahmadiyah zu nur wenigen Monaten Haft verurteilt wurden, während ein Opfer für sechs Monate hinter Gitter muss.
Nachdem der Menschenrechtsverteidiger Munir 2004 auf dem Flug nach Amsterdam an einer Arsenvergiftung verstorben war, erklärte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono die Aufklärung des Falles zur Chefsache. Er setzte eine Untersuchungskommission ein, die wichtige Indizien zu Tage förderte. Der Tatausführende wurde zu einer längeren Haftstrafe verurteilt. Doch der Prozess gegen einen mutmaßlichen Auftraggeber, Geheimdienstgeneral Muchdi, verlief im Sande. Wichtige Zeugen wurden nicht gehört, weil sie der Ladung zur Anhörung nicht Folge leisteten. Verfahren gegen weitere Verdächtige wurden niemals eröffnet. Dennoch sieht GoI den Fall mittlerweile als „abgeschlossen“ an.
Vor und nach dem Abtritt Suhartos demonstrierten 1998 tausende Studenten auf den Straßen Jakartas. Einige bezahlten mit ihrem Leben, als an der Kreuzung von Semanggi das Feuer auf sie eröffnet wurde. Entsprechend der Ermittlungen der nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) ist der Fall als schwere Menschenrechtsverletzung i.S.d.G. zu werten, was die Einrichtung eines Ad-hoc Menschenrechtsgerichtshofes zur Folge haben könnte. Hierzu bedarf es eines Parlamentsbeschlusses und der Erhebung einer Anklage durch den Generalstaatsanwalt.
Parlament und Generalstaatsanwaltschaft schieben sich seit Jahren gegenseitig die Verantwortung zu. 2009 verabschiedete das Parlament eine Resolution zum Schicksal der 1997/98 Verschwundenen, die als hoffnungsvoller Schritt begrüßt wurde. GoI hat die empfohlenen Schritte zur Einrichtung eines Ad-hoc Gerichtshofes bislang nicht umgesetzt.

Aceh
Das MoU von Helsinki erwies sich als geeignet, den über Jahrzehnte andauernden gewaltsamen Konflikt zwischen der Unabhängigkeitsbewegung GAM und den indonesischen Streitkräften zu beenden. Die Umsetzung der im MoU enthaltenen Vereinbarungen zur Aufarbeitung der Vergangenheit steht aus. Sechs Jahre nach dem verheerenden Tsunami sind die meisten Projekte internationaler Organisationen abgeschlossen und die Provinz muss nun auf eigenen Füßen stehen. Vor den anstehenden Gouverneurswahlen zeichnet sich ein Konflikt zwischen Fraktionen der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung ab, der bereits mehrere Todesopfer forderte. Eine Begleitung des Prozesses durch externe Beobachter könnte konfliktmindernd wirken. Im Rahmen der Sonderautonomie wurde in Aceh als einziger Provinz Indonesiens die Scharia eingeführt. Ein vom Provinzparlament verabschiedetes Gesetz sieht Strafen wie Handamputation für Diebe und Steinigung für EhebrecherInnen vor. Diesem Gesetz verweigert der amtierende Gouverneur bislang seine Unterschrift. Schon jetzt werden aber außereheliche Verhältnisse, Alkoholkonsum oder Glücksspiel durch öffentliche Auspeitschung bestraft. Eine Scharia-Polizei (Wilayatul Hisbah) wacht über die Einhaltung der Vorschriften. Ihre Methoden erinnern häufig an Mob- und Lynchjustiz. Die ausgeübte Praxis der Scharia verstößt gegen die Menschenrechte, gegen die indonesische Verfassung (UUD 45) und nicht zuletzt auch gegen die Vorschriften des Islam.

Religionsfreiheit
Bürgerkriegsähnlichen Konflikte zwischen religiösen Gruppen, die vor zehn Jahren auf den Molukken und in Zentralsulawesi Tausende von Menschenleben kosteten, bestimmen aktuell nicht die Situation. An ihre Stelle ist eine deutlich gesteigerte Religiosität in weiten Teilen der Gesellschaft getreten, die mit Polarisierung und Radikalisierung einhergeht. In vielen Provinzen und Kommunen wurden von der Scharia inspirierte Regelungen erlassen, wie z.B. Kleidungsvorschriften. Diese Regeln stehen in Widerspruch zur Verfassung, aber es sind keine Bemühungen seitens GoI erkennbar, dem Wildwuchs strenger Regelungen ein Ende zu setzen. Radikale islamistische Gruppen wie z.B. FPI (Front Pembela Islam) oder Hizbut Tahrir genießen mitnichten Sympathie und Zustimmung der moderaten muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Doch weder Vertreter der Politik, noch des Islam oder anderer gesellschaftlicher Gruppen treten diesen Gruppen und ihren Aktivitäten offen entgegen. Indes sorgt die Macht des Faktischen für eine stetig wachsende Akzeptanz gegenüber diesen Gruppen. Religiöse Minderheiten wie Ahmadiyah oder Baha’i und soziale Minderheiten wie LGBT (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) müssen praktisch jederzeit auf tätliche Angriffe gewappnet sein. Auch Christen, Buddhisten und andere nicht-islamische Gruppen sehen sich zunehmend der Gefahr gewaltsamer Übergriffe und zunehmender Schikane durch Behörden ausgesetzt, beispielsweise bei Genehmigungsverfahren für neue Kirchen oder Tempel. Der Angriff auf die Ahmadiyah in Cikeusik, Banten, vom 06. Februar 2011, bei dem drei Menschen brutal getötet wurden, zeigt, dass GoI seiner obersten Pflicht, dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit aller Staatsbürger, nicht nachkommt. Sowohl die Verfassung (UUD 45) als auch der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, dem Indonesien beigetreten ist, verpflichten GoI zur Religions- und Glaubensfreiheit. Zahlreiche Gesetze und Dekrete verstoßen gegen diese Grundsätze. Das (novellierte) Blasphemiegesetz von 1965 erkennt nur sechs Religionen ausdrücklich an. Ein Dekret aus dem Jahre 2008 illegalisiert die Ahmadiyah und gibt eine Legitimationsbasis für Übergriffe.

Papua
Die Menschenrechtslage in Papua (i.e. die Provinzen Papua und Westpapua) ist äußerst Besorgnis erregend. Die Sonderautonomie gilt weithin als gescheitert und es kommt zu einer Verhärtung der Fronten. Politische Entwicklungen (anstehende Gouverneurswahlen, Bildung und Besetzung der „zweiten Parlamentskammer“ MRP, fortschreitende Bildung immer neuer Landkreise und Provinzen usw.) sowie anstehende Bergbau- und Plantagenprojekte sorgen für neues Konfliktpotential horizontaler und vertikaler Art. Die hohe Militärpräsenz ist in den Augen vieler Papua bereits für sich genommen ein Mittel der Einschüchterung. Zahlreiche Fälle von offener Diskriminierung, Festnahmen, gewaltsamen Übergriffen und Folter von Gefangenen zementieren dieses Bild. Internationalen Organisationen, Journalisten und sogar Politikern bleibt der Zugang nach Papua verwehrt. GoI widerspricht mit dieser Praxis der eigenen Sichtweise von Papua und Westpapua als „ganz normalen“ indonesischen Provinzen. Das staatliche Institut für Wissenschaft und Forschung (LIPI) verfügt über hervorragende Analysen der Probleme Papuas, auf deren Grundlage eine „road map“ für eine dialogische Lösung erarbeitet wurde.

WSK-Rechte
52% der IndonesierInnen, also ca. 125 Mio. Menschen fallen nach Angaben des World Food Program’s (WFP) unter die Armutsgrenze von 2 US$ pro Tag. Urbane Arme werden häufig Opfer der Stadtentwicklung. Ihr Recht auf Wohnung wird ignoriert. Siedler, Bettler und andere werden kriminalisiert.

Menschenrechte und Umwelt
Die größte Anzahl von Menschenrechtsverletzungen geschieht in Zusammenhang mit der Ausbeutung der Naturressourcen. Institutionalisierte Gewalt aufgrund der Wirtschaftspolitik und – Gesetzgebung führt zu Vertreibungen und gewaltsamer Umsiedlung. Die Missachtung der Indigenenrechte, einschließlich des Rechtes auf Nahrung, und ethnische Diskriminierung sind Verletzungen der WSKRechte. Außerdem reagiert der Staat bei konkreten Konflikten häufig mit Gewalt.

Empfehlungen:
Der VN-Menschenrechtsrat, die EU und die Bundesregierung sollen darauf hinwirken, dass
• GoI umgehend die Antifolterkonvention ratifiziert und Folter wirksam unter Strafe stellt, sowie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beitritt,
• gesetzgeberische, juristische und administrative Ursachen, die zu Straflosigkeit beitragen, systematisch erfasst und ausgeräumt werden, • bei Gerichtsurteilen die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt wird und alle Staatsbürger Gesetzen und Gerichtsurteilen Folge zu leisten haben,
• GoI und die politischen Kontrahenten in der Provinz Aceh eine Langzeitbeobachtung der anstehenden Gouverneurswahlen zulassen,
• die Regierung Acehs Akte der Selbstjustiz durch die Scharia-Polizei (Wilayatul Hisbah) strikt unterbindet,
• GoI konsequent gegen verfassungsfeindliche scharia-inspirierte Regelungen einschreitet,
• Staat und Regierung dafür Sorge tragen, dass sich sämtliche Staatsbürger des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit ihrer Person sicher sein können,
• GoI Gesetze und Praktiken ändert, um die Religions- und Glaubensfreiheit in Übereinstimmung mit dem Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) zu bringen,
• GoI den Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit des UN-Menschenrechtsrats einlädt,
• GoI einen ernsthaften und offenen Dialog mit Papua zur Lösung des Konfliktes führt, die Militärpräsenz reduziert und Menschenrechtsverletzungen adressiert.
• internationale Organisationen, Journalisten und Politiker freien Zugang nach Papua haben,
• GoI seine internationalen Verpflichtungen einhält, einschließlich des UN-Paktes zu politischen und bürgerlichen Rechten, des UN-Paktes zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten, des UN-Paktes zur Eliminierung rassischer Diskriminierung und des UN-Paktes zur Eliminierung der Diskriminierung von Frauen
• GoI die UN-Erklärung zu den Rechten Indigener Völker beachtet und diskriminierende Gesetze und Praktiken revidiert.
• Der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten indigener Völker und der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Indonesien besuchen und über die Folgen von Großplantagen und Bergbau auf Indigene berichten.

Sie können den Bericht auch downloaden bei www.watchindonesia.org.

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Politischer Gefangener in Not

WPN 26. September 2011 Amnesty International hat zu einer Briefaktion im Falle des politischen Gefangenen Kimanus Wenda aufgerufen. Kimanus Wenda befindet sich im Gefängnis von Nabire, Provinz Papua, und benötigt aufgrund eines Magentumors dringend medizinische Hilfe. Da es in Nabire nicht die notwendige medizinische Versorgung gibt, raten die Ärzte zu einer sofortigen Überführung nach Jayapura. Die Gefängnisbehörden von Nabire weigern sich jedoch, die Transport- und Behandlungskosten zu leisten.
Dazu sind sie nach indonesischem Recht jedoch verpflichtet.

Kimanus Wenda war im Januar 2004 nach Artikel106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuches wegen „Rebellion“ zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, im April 2003 ein Lagerhaus des Militärs in Wamena in der Provinz Papua überfallen zu haben. Seit seiner Festnahme ist Wenda mehrfach von Angehörigen des indonesischen Militärs und des Gefängnispersonal schwer misshandelt worden. Erst 25. Mai 2011 hatten mindestens vier Gefängniswärter mit Gummiknüppeln auf Wenda eingeschlagen, weil er eine Beschwerde gegen einen Gefängnisbeamten eingereicht hatte. (Amnesty International, UA 251/11 vom 19.08.11)

Wer sich an der Briefaktion beteiligen möchte, kann entsprechende Musterbriefe bei der Koordinationsstelle des West Papua Netzwerkes anfordern.

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Freiheitsstrafen für friedliche Demonstranten

WPN 1. September 2011 Das Bezirksgericht Manokwari, Provinz West Papua, hat im August zwei indigene Papua wegen Landesverrat verurteilt. Melkianus Bleskadit erhielt am 18. August eine zweijährige Haftstrafe; Daniel Yanu wurde wenige Tage später zu siebeneinhalb Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Die Männer hatten im am 14. Dezember 2010 an einem friedlichen Protest in der Stadt Manokwari teilgenommen und gegen die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat demonstriert. Dabei wurde auch die 14sternige Morgensternflagge gehisst. Sieben Demonstranten wurden daraufhin von der Polizei festgenommen. Das lokale Rechtshilfeinstitut LP3BH Manokwari berichtet über zahlreiche Verfahrensfehler während der Gerichtsverhandlungen. Die Urteile sollen auf gefälschten Zeugenaussagen basieren und keiner der belastenden Zeugen soll vor Gericht ausgesagt haben. Die Angeklagten sollen während der Untersuchungshaft zudem misshandelt worden sein und zeitweise keinen Zugang zu ihren Anwälten erhalten haben. Das Verfahren gegen fünf weitere Demonstranten läuft noch. (Amnesty International Public Statement vom 25.08.2011; Asian Human Rights Commission: Urgent Appeal Update 15.09.2011)

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Buchtar Tabuni ist frei

WPN 17. August 2011 Der politische Gefangene Buchtar Tabuni ist von der indonesischen Regierung begnadigt und auf freien Fuß gesetzt worden. Tabuni gehörte zu 656 Gefangenen in Papua, die anlässlich des indonesischen Unabhängigkeitstages am 17. August eine Begnadigung erhielten. Buchtar Tabuni war im Juli 2009 zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden, weil er im Oktober 2008 eine friedliche Demonstration zur Unterstützung der „International Parlamentarians for West Papua“ (IPWP) organisiert hatte. (West Papua Advocacy Team: West Papua Report September 2011)

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