WPN 03. März 2011 In einer gemeinsamen theologischen Erklärung erklären die drei großen Papua-Kirchen GKI-TP (Evangelische Kirche im Lande Papua), Kingmi- und Baptistenkirche die indonesische Entwicklungspolitik in Papua für gescheitert. Die Kirchen drücken ihre tiefe Besorgnis über die Lebensbedingungen der indigenen Papua aus und sprechen von einem Genozid an ihrem Volk. Aber auch vor Selbstkritik macht die Erklärung nicht halt: Zu lange habe man als Kirchen gegenüber dem Leid des Papua-Volkes geschwiegen. Die Kirchen erklären, zu ihrem theologischen Auftrag zurückzukehren, das Leiden der Menschen zu hören und für diese ihre Stimme zu erheben. Die theologische Erklärung wurde während einer Großdemonstration am 26. Januar 2011 vor dem Gebäude des Papua-Provinzparlamentes (DPRP) in Jayapura von dem stellvertretenden Präsidenten der Evangelischen Kirche im Lande Papua (GKI-TP), Pfarrer Elly Doirebo vorgetragen. Im Anschluss an die Verlautbarungen reisten die Kirchenvertreter im Februar nach Jakarta, um Angeordnete des indonesischen Parlamentes zu treffen und die Vorbereitungen zu den Wahlen des Papua-Volkskongresses (MRP) zu stoppen. Die Amtsperiode der bisherigen MRP-Mitglieder war bereits im Oktober 2010 abgelaufen und die Wahlen der neuen Mitglieder auf den 28. Februar verschoben worden. Weite Kreise der Papua-Bevölkerung, einschließlich der genannten Kirchen, wenden sich aber gegen eine Neubesetzung des MRPs, da dieser ihrer Ansicht nach zahnlos sei und nur die Interessen der Zentralregierung vertreten könne. Sie fordern stattdessen eine Auflösung des Gremiums. Die Wahlen wurden nun erneut auf März verschoben. Wir drucken hier die deutsche Übersetzung der Theologischen Erklärung ab: Am Dienstag, den 26. Januar 2011, sind wir, die Kirchenführer im Lande Papuas mit den christlichen Gemeinden zusammengekommen, um unsere Position gegenüber der Regierung und ihrer Entwicklungspolitik in Papua seit der Integration Papuas an Indonesien und speziell seit der Verabschiedung des Sonderautonomiegesetzes 21/ 2001 für Papua, bekannt zu geben. Als Kirchen sind wir tief besorgt über die Lebensbedingungen unserer Leute, den indigenen Papua, denen das Land Papua gehört. Ihr Schicksal ist aufgrund der indonesischen Entwicklungspolitik gegenüber Papua zunehmend unsicherer geworden. Die indonesische Entwicklungspolitik in Papua konzentriert sich auf physischen Fortschritt, infrastrukturelle Entwicklungen und der Förderung indonesischer Interessen in Papua. Die inkonsequente Implementierung des Sonderautonomiegesetzes für Papua ist ein Beweis für die Unaufrichtigkeit der indonesischen Regierung und hat dazu geführt, dass das Sonderautonomiegesetz aus Sicht der Papua GESCHEITERT ist. Die indigenen Papua sehen die gegenwärtige Wahl des Papua-Volksrates MRP (Majelis Rakyat Papua) als Beleidigung ihres Volkes an. Es scheint, dass diese Wahlen von Außen auferlegt und übereilt erfolgen. Diese Situation wird weiter verschlimmert durch die Ignoranz der indonesischen Regierung gegenüber den elf Empfehlungen der Vollversammlung des MRPs, die keine Berücksichtigung finden[1]. Die Kirchen hinterfragen auch den Brief des Innenministers (Nr. 188.341/110/SJ) zur Klärung von speziellen lokalen gesetzlichen Regulierungen für die Papua Provinz vom 13. Januar 2011, die die Rechte und die Existenz der indigenen Papua in ihrem Mutterland negieren. Die Situation in Kairo und die oben genannten Entwicklungen in Papua stellen ein Momentum für die Kirchen dar, um die Stimme zu erheben und unsere Haltung und tiefe Besorgnis in Form der folgenden theologischen Erklärung zum Ausdruck zu bringen. 1. Die Kirchen sind zunehmend der Überzeugung, dass die gegenwärtigen Entwicklungen eine hohe Ähnlichkeit mit den Vorgängen während der legal und kulturell schwierigen Integration Papuas an Indonesien aufweisen. Das Referendum von 1969 („Act of free choice“) stellt die Wurzel der Probleme für Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Papua dar. Seit der Integration an Indonesien ist Papua eine mit Problemen belastete Region unter der Autorität der indonesischen Regierung. 2. Das Volk der Papua erfährt eine „schweigsame Geschichte des Leidens“, oder Memoria Passionis, die in einen Genozid mündet. Der Diskurs eines Genozids wird bereits seit langem von Beobachtern geführt und zum Ausdruck gebracht, die tief besorgt sind über das Überleben der Papua. Dieser Genozid stimmt möglicherweise nicht mit den Kriterien einer Genoziddefinition der Vereinten Nationen, Indonesiens oder anderer Staaten überein. Aber aus unserer Sicht als Opfer erfolgt in Papua ein Genozid, der aus den in Jakarta geschaffenen Konditionen in Form von Ideologien und Entwicklungsbestimmungen resultiert, die gegen die indigenen Papua gerichtet sind. Transmigrationserlasse und unerbittliche Militäroperationen sind aus unserer Sicht geplante Programme, um die indigenen Papua auszulöschen. Selbst Beobachter in Jakarta bezeichnen diese Vorgänge als internen Kolonialismus und verdeckte Sklaverei. 3. Wir, die Kirchen von Papua, gestehen unser eigene Fehler und Sünden ein. Wir haben zu lange gegenüber teuflischen und destruktiven Entwicklungspolitiken und Modernisierungsprozessen geschwiegen, die eine Form des internen Kolonialismus und der verdeckten Sklaverei an den Papua darstellen. Die Papua-Kirchen haben versagt, die Bedeutung der Bibelstelle „Regierungen sind Gottes Repräsentanten in der Welt und müssen gepriesen werden“ zu artikulieren (Papuan churches failed in articulating the content of god’s word, „governments are god’s representatives in the world, which must be praised“). Bis heute werden die Kirchen in Papua durch die indonesische Regierung paralysiert und können ihrer prophetischen Rolle nicht nachkommen. 4. Angesichts der aktuellen Herausforderungen denen Gottes Menschen in Papua ausgesetzt sind, verpflichten wir uns als Kirchen dazu, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Unsere Wurzeln sind die Bibel und die Kirchengeschichte. Wir sind entschlossen, die Leidensgeschichte der Papua als Zeichen der Zeit zu sehen (Matthäus 16:3b) und als eine theologische und missiologische Herausforderung. Das beinhaltet, dass Gott uns, die Kirchen Papuas, zu den Menschen schickt, die eine dunkle Geschichte des Leidens und der Unterdrückung durchlaufen. Deshalb müssen wir als Kirchen Gott fragen: „Herr, was denkst Du über das Verhalten der Regierungsbeamten, die eine verdeckte Sklaverei gegenüber unseren eigenen Leuten betreiben? Stimmst Du ihnen zu und applaudierst?“ 5. Die Kirchen sind bereit, die Stimme für die emotional verletzten Menschen in Papua zu erheben. Dies ergibt sich als eine logische Konsequenz des kirchlichen Auftrages, das Wort Gottes zu verkünden. Die Bibel und die Kirchengeschichte sind die Eckpfeiler unseres Handelns. In dieser Mission sind die Kirchen damit beauftragt Gottes Menschen zu bewachen und sie als Ebenbild Gottes zu beschützen, das nicht willkürlich behandelt werden darf (Johannes 10:11, 21:12,16, 19). Als Hirten sollten wir die Rufe unserer Schafe (Gemeinden) hören. In diesem Geist erheben wir unsere Stimmen, denn „unser Boot des Lebens sinkt“, das Licht der Kerzen unserer Leute erlischt im Namen von Entwicklung, territorialer Integrität und Integrität des Staates. 6. Hinsichtlich der Entwicklungsgesetze und ihrer Implementierungen erklären wir hiermit: a) dass die Indonesische Regierung GESCHEITERT ist, die indigenen Papua entsprechend der Sonderautonomie zu entwickeln. Deshalb rufen wir die indonesische Regierung dazu auf, die gegenwärtigen Vorbereitungen der MRP-Wahlen umgehend zu stoppen und die elf Empfehlungen der MRP- Vollversammlung zu beantworten; b) als Lösung appellieren wir an die indonesische Regierung, sich einem Dialog mit den indigenen Papua unter Mediation einer neutralen dritten Party zu öffnen; c) wir sind außerdem besorgt über das Verhalten von Papua- Regierungsbeamten, die gegenüber den Rechten ihrer eigenen Leute keine Verantwortung (commitment) zeigen. 7. Wir rufen die Menschen Papuas dazu auf, sich zu erheben, für ihr eigenes Heil zu arbeiten und die Wahrheit gegenüber den herzlosen Staatsautoritäten auszusprechen, die internen Kolonialismus, Genozid und verdeckte Sklaverei gegenüber den Menschen verüben. 8. An unsere Brüder und Schwestern in Papua, Indonesien und überall sonst, bitten wir, betet für uns in Solidarität, so dass wir stabil genug werden, um den Herausforderungen der Gegenwart, die in Papua voll von Leid und Tränen ist, zu begegnen. Ende der Deklaration. Gezeichnet von Pfarrer Elly D. Doirebo, Stellvertretender Präsident der Evangelischen Kirche im Lande Papua GKI-TP (Gereja Kristen Injili di Tanah Papua) Pfarrer Benny Giay, Präsident der Kingmi Kirche Papuas Pfarrer Socratez Sofyan Yoman, Präsident der Baptisten Kirche Papuas Übersetzung und Zusammenfassung aus dem Englischen von Kristina Neubauer (Quellen: Doirebo, Giay und Yoman 27.02.2011: Indonesia: Theological Declaration of Churches in Papua; Büro für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (KPKC) der Evangelischen Kirche im Lande Papua (GKI-TP): Theological declaration of Papuan churches concerning the Indonesian government’s failure to govern and develop indigenous Papuans, sowie: Papuan people demonstrate peacefully together with Papuan church leaders, Wednesday 26 January 2011; JUBI 26.01.2011: Church leaders oppose the creation of a new MRP; The Jakarta Post 16.02.2011: Church leaders protest Papua Assembly selection process.) [1] Die Vollversammlung fand im Juni 2010 in Jayapura statt und brachte elf Empfehlungen an die indonesische Regierung hervor, u.a. die Rückgabe des Sonderautonomiegesetzes (vgl. E-Info vom 22.06.2010)
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